Wer wird wie gelesen im Raum? Gefühle vs. Wahrnehmung vs. Verhalten or what?

Auf twitter hat @baum_glueck auf meinen eben gebloggten Text Heteroküsse… nachgefragt, auf wen sich meine Kritik bezieht:

„Die frage fuer mich grad is, gilt das fuer tatsaechliche cisheten, was du schreibst oder fuer das was wir wahrnehmen“

Ich hatte gedacht, dass das im Text schon rüberkommt, das ist aber offensichtlich nicht so, das tut mir leid. Beim drüber Nachdenken finde ich sowieso, dass es ein sehr komplexes Thema und eine wichtige Nachfrage ist, die noch mal einen eigenen Eintrag verdient. Also, danke an @baum_glueck für den Anstoß und los.
[Und @baum_glueck: Die diversen Kritikschleifen im folgenden Text beziehen sich nicht komplett auf Dich, sondern nur, soweit es Deine Nachfrage betrifft!]

In meinem Text ging es mir um ein Verhalten von Heter@s in queeren Räumen (zentral auf der Tanzfläche Raum einnehmen und rumknutschen), das ich bisher deutlich mehr als einmal erlebt habe und bei dem ich ein Muster vermute. Über das Muster hab ich geschrieben. Jetzt kommt der ausdifferenzierte Teil dazu, wer eigentlich gemeint ist oder auch nicht.

Bei den Malen, an die ich mich erinnere, gehe ich davon aus, dass es sich dabei um Hetero-Paare oder -Gruppen gehandelt hat und nicht um Leute aus LSBTQ Szenen / LSBTQ, die als heter@ gelesen werden können.

Meine Unterscheidung beruht vor allem auf Verhalten, also eigentlich auf Praxen und nicht auf Identitäten, wobei bei meinem Beispiel beides zusammenfällt, aber nicht zusammenfallen muss, das werde ich unten noch etwas genauer auseinandernehmen. Wenn das im vorherigen Text nicht deutlich geworden ist, dann tut es mir leid, vor allem entschuldige ich mich bei denen, die sich fälschlicherweise angesprochen gefühlt haben. Ich wünsche mir für meine Texte aber auch, dass sie als vielschichtig gelesen werden, ich freue mich über Nachfragen über Unklarheiten und finde es schade, wenn mir Sachen untergeschoben werden, die im Text so nicht stehen.

Ich gehe davon aus, dass sich subkulturelle Räume von hegemonialen Räumen durch die Regeln, die in ihnen gelten, unterscheiden. Das sind meist Regeln, die in der Mehrheitsgesellschaft nicht durchgesetzt, eventuell noch nicht mal verstanden werden können.

Beispiele aus dem queeren Spektrum dafür wären z.B. der Umgang mit casual sex im subkulturellen Raum schwuler darkroom oder die Fähigkeit, Gender_Geschlechterperformances anders wahrzunehmen in FLT*-BDSM-Kontexten als beispielsweise in heterodominierten BDSM-Kontexten. Im vorherigen Text habe ich über die von mir wahrgenommene Regel eines eher größeren queeren Raumes gesprochen: Rückzugsort und Entspannungsmöglichkeit (im Sinne von unter sich Party machen) für LSBT*Q(manchmal bzw. manche I) zu sein. Damit meinte ich, dass ein fröhliches, feierndes Aufhalten in diesem Raum ermöglicht werden soll, das Leute nicht sofort mit Unterdrückungsmechanismen „von dort draußen“ konfrontiert, sondern ein anderes Setting schafft, in dem Heteronormativität nicht die Hauptrolle spielt.

Das Wissen über die in subkulturellen Räumen herrschenden Regeln muss m.E. gelernt werden. Das passiert meiner Erfahrung nach über Partizipation (welcher Art auch immer: Hingehen, davon hören, mit Anwesenden reden, Texte über diese Räume lesen, Kunst aus diesen Räumen sehen/hören/… etc.) und muss auch nicht sofort da sein, sobald ich das erste Mal den Fuß/das Rad über die Schwelle gesetzt habe. Es ist eher ein subtiler Lernprozess, der sicherlich auch damit zusammenhängt, wie (oder ob überhaupt) in den jeweiligen Räumen sanktioniert wird.

Das heißt wiederum auch nicht, dass diese Regeln nicht verletzend oder ausschließend bestimmten Menschen gegenüber sind. Ein subkultureller Raum mit seinen eigenen Regeln ist nicht davor gefeit, andere hegemoniale Muster zu wiederholen. Das heißt auch nicht, dass es nicht Personen innerhalb dieser Räume gibt, die sich nicht nach diesen Regeln verhalten bzw. sie verletzend_übergriffig ignorieren. Die Regeln sind ja letztlich eben doch keine Zugangsbegrenzung, sondern halt eher meist unausgesprochene Übereinkünfte. Mit allen negativen Aspekten, die an unausgesprochenen Übereinkünften hängen.

Zurück zu den von mir häufiger wahrgenommenen und so eingeordneten knutschenden Heten auf der Queerparty.

Meine Einordnung als Heter@s beruht in diesem Fall auf einem Gefühl bzw. der Wahrnehmung, dass etwas nicht stimmt, dass mehrere Regeln oder Konstanten des Raumes gerade verletzt werden. Das hängt daran, wie ich die Aktionen der betreffenden Leute wahrgenommen habe und ich mache hier eine Auflistung, die ein Sammelbecken meiner entsprechenden Erlebnisse ist, aber nicht für jedes Erlebnis im Ganzen zutreffen muss:

  • Leute nehmen Raum ein, sind nicht auf die Umgebung bedacht, sind selbstvergessen und dabei grenzüberschreitend -> z.B.: Es ist gerade egal, ob andere hier eine Tanzfläche vermuten, dieses Paar muss hier einen Beziehungsstreit ausfechten.
  • Leute verhalten sich hegemonial genderkonform, allein, in Gruppen, in Zweierpaaren (in denen sie sich dann so genannt gegengeschlechtlich aufeinander romantisch beziehen; dazu schreibe ich unten noch was) -> z.B. Mackern, Darstellung von normativem Heterobegehren (und ja, dazu auch)
  • (männlich wahrgenommene) Leute verhalten sich (weiblich wahrgenommenen) Leuten gegenüber hegemonial genderkonform -> z.B. durch ungefragtes Anbaggern, Anfassen, Anlabern
  • Es findet eine Positionierung im Zentrum des Raumes und Lautsein im Sinne von sich auffällig machen statt -> z.B. bierseliges im Kreis rumstehen mitten auf der Tanzfläche, gemeinschaftliches T-Shirt ausziehen der männlich wahrgenommenen Personen oder über größere Distanzen hinweg Kontakt aufnehmen zu einer sich ähnlich hegemonial genderkonform verhaltenden Bezugsgruppe durch Schreien, Dinge hin und her werfen etc.

All das entspricht in meiner Wahrnehmung eher nicht den ungeschriebenen Regeln, die ich in einem queeren Raum erwarte. Ich vermute dann, dass die entsprechenden Personen sich so verhalten, weil sie die subkulturellen Regeln nicht kennen, sich nicht die Mühe machen, sie kennenzulernen oder sich darüber hinwegsetzen ODER gar nicht die Notwendigkeit haben, zu merken, dass dieser Raum anders sein könnte. In allen von mir erlebten Fällen fiel außerdem solches Verhalten mit einem sehr hegemonial genderkonformen Aussehen (Frisuren, Schminke, Kleidung, Accessoires) zusammen. An dem Punkt wage ich die Behauptung aufzustellen, dass es sich hier um heteronormative Personen handelt, die sich gerade dominant in Bezug auf den Raum und die übrigen Anwesenden verhalten.

Dann gibt es die vielen Leute, die in diesem ganzen queeren Spektrum existieren und immer wieder auch in queeren Räumen als heter@ gelesen werden (zu denen ich mal mehr mal weniger selbst gehöre, wie viele andere ja auch, surprise). Und das können ja viele sein: In der Alltagspraxis hetero begehrende Personen, hetero- oder andersbegehrende Trans*personen mit, ohne oder mit ambivalentem Durchgehen-im-Wunschgender, PoC und andere mehrfachzugehörige Leute. Meine Erfahrung ist, dass diejenigen, die als heter@ gelesen werden können und die sich queeren Räumen zugehörig fühlen, weil sie Alternativen zu heteronormativen Räumen bieten, sich nicht so wie oben beschrieben verhalten. Meine Erfahrung ist, dass das von mir kritisierte Verhalten immer wieder von einer ganz bestimmten Gruppe von Leuten kommt, die ich als hetero lese.

Und dann gibt es die Leute, die sich dem queeren Spektrum zugehörig fühlen und genau das Verhalten re_produzieren, dass ich oben beschrieben habe, z.B. Transmaskulinitäten, für die zum Männlich-Sein sexistisches Verhalten gehört oder Schwule, die Frauen übergriffig anfassen oder Butch-Femme-Paare, die sich über feminine Butches oder maskuline Femmes lustig machen. Und ob diese Leute von Aussehen her als cis_heter@ durchgehen oder nicht, für mein Gefühl brechen sie in diesem Moment ebenso ungeschriebene Regeln und verhalten sich nicht so, wie ich es mir auf einer queeren Party wünschen würde.

Das Äußere an sich kann m.E. hier keine klare und gültige Aussage über die Zugehörigkeit oder die Positionierung im Raum machen, weshalb ich es ja an Praxen kopple.
Gleichzeitig finde ich es schwierig, bei sehr heteronormativem, grenzüberschreitendem Verhalten zunächst mal zu diskutieren, ob Leute unpassenderweise als hetero gelesen werden oder nicht.
Da ergibt sich dann für mich eine Problematik queerer Räume: Wenn die Definition des Raumes an dem Punkt anhält, an dem ich „vom Aussehen nicht auf das Begehren von Leuten schließen darf“ (und das ist eine häufige Antwort, die ich auf Argumentationen wie die oben oder die im letzten Text höre), dann ist sie verkürzt und betreibt viel mehr Identitätspolitik als die Suche nach einem Verhaltenskodex auf queeren Partys. Mit der m.E. verkürzten – aber immer wieder gehörten – Argumentation, dass ich niemanden auf einer Queerparty einfach so (siehe dazu meinen Text oben) als heter@ labeln darf, verunmögliche ich die Diskussion über heteronormatives Verhalten und das offensichtliche momentane Scheitern einer Türpolitik auf Queerpartys.

21 Gedanken zu „Wer wird wie gelesen im Raum? Gefühle vs. Wahrnehmung vs. Verhalten or what?

  1. Frl. Urban

    *seufz* So sehr ich dein Anliegen – mehr kritisches hetero-sein – verstehe, bin ich verletzt. Wie oft werde ich aufgrund von „Frisuren, Schminke, Kleidung, Accessoires“ als hetero gelesen? Zu oft, nämlich jedes mal, wenn ich als hetero gelesen werde.
    Und es tut auch weh aufgrund von „Frisuren, Schminke, Kleidung, Accessoires“ als „hegemonial genderkonform“ verstanden zu werden. Femme sein ist nicht Frau sein. Femme ist ein Gender. Nein, nicht jede Femme versteht das als ihr Gender. Aber diverse Femmes eben doch. Und viele von uns fühlen uns nicht willkommen in queeren Räumen, weil uns endlos endlos endlos endlos endlos hetero + hegemonial genderkonform zugeschrieben wird.
    Ich hab‘ so kein Bock mehr darauf. Denn was mir entgegenschlägt, wenn ich auf queere Veranstaltungen gehe, ist ein nicht-Verhalten. Ein nicht anschauen, nicht grüßen, nicht sehen, nicht flirten, nicht nicht nicht. Ich suche keinen queeren Raum auf um ignoriert zu werden. Ich suche queere Räume auf um mich von heteronormativen, sexistischen Scheiß zu erholen. Aber das kann ich nicht, denn die Annahme, die mir von Sexisten auf der Straße entgegenschlägt: „Sie zieht sich so an, um heterocismännliche Aufmerksamkeit zu bekommen.“ wird in queeren Räumen wiederholt. Ich kann ja nur auf hohen Schuhen unterwegs sein, um heterocismännliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Also einfach ignorieren.

    Dieser Artikel mit der Beschreibung dessen, wer als hetero wahrgenommen wird trifft es wunderbar auf den Kopf. Aua, es tut weh. Wieder mal als hetero markiert zu werden.

    Neben kritischem hetero-sein wünsche ich mir auch eine Erweiterung des Verständnis queerer Performance. Zum reinlesen kann mensch hier anfangen: http://frlurban.tumblr.com/tagged/femme

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    1. laufmoos Artikelautor

      Dear Frl. Urban,

      danke für den wichtigen Kommentar und den Link. Es tut mir leid, dass mein Text Dich verletzt hat. Das war nicht mein Wunsch und ich versuche noch mal genauer aufzuschreiben, worum es mir geht. Nämlich definitiv nicht um Fem/me-Unsichtbarmachung. Wenn das so rüberkommt, dann hat der Text eine Lücke und/oder mein Argument wurde nicht verstanden. Ich versuche mal zu schließen.

      Es war nicht mein Anliegen, Fem/mes als hetero zu markieren.

      Ich denke, da vermischen sich ein paar Problematiken queerer Räume. Ich versuche es mal (sicherlich verkürzt) in kleineren Schritten, wobei alles zusammenhängt.

      Ein Problem queerer Räume ist deren Konzentration auf Sichtbarkeit. Das empfinde ich als vielschichtig.
      Für einige, und da geht es u.a. um Fem/mes, das denke ich auch, bedeutet die Konzentration auf Sichtbarkeit Unsichtbarmachung, weil bestimmten visuellen Vorannahmen (Androgynität, Boyishness) nicht entsprochen wird. (Da müsste aber für Fem/mes auch noch differenziert werden, denn einige Fem/me-Performances sind sehr unsichtbar, andere gehören inzwischen zu einem anerkannten Repertoire queerer Darstellungsmöglichkeiten. Ich finde als kritikwürdigen Anhaltspunkt, wie Fem/me-Gender oder -Performance aussehen muss, um für queere Räume *sichtbar* zu werden, lässt sich Femmes of Power von Del LaGrace Volcano und Ulrika Dahl lesen. Die Fem/me-Performances, die es „ins Buch geschafft haben“, sind überwiegend sehr gestylt, sehr Bühnen-kompatibel, burlesque, sehr auf das Aussehen/Äußere bedacht. Das mag für viele Fem/mes genau richtig sein, viele andere, die diesen sehr einseitigen Fem/me-Sichtbarkeits-Strategien nicht entsprechen, bleiben außen vor. Und ja, auch im Buch gibt es die eine oder andere Ausnahme.)
      Für andere geht die Konzentration auf Sichtbarkeit dann vielleicht eher in Richtung gezwungene Sichtbarmachung oder Zwangsouting, obwohl dieses gar nicht unbedingt erwünscht ist. Dazu finde ich den Text von Riot Trrrans* sehr impulsgebend: http://riottrrrans.wordpress.com/2014/03/07/ich-gehe-nicht-zu-flti-veranstaltungen/

      Ich finde also die Konzentration queerer Politiken oder Räume auf Sichtbarkeit sehr schwierig, weil vielfach ausschließend. (Trotzdem machen Sichtbarkeitsstrategien an anderen Stellen Sinn und sind nicht umsonst so hervorstechend unter queeren Politiken, aber das gehört hier nicht hin bzw. wäre noch mal ein extra Thema.)
      Deshalb – und ich finde es schade, dass das nicht rüberkommt – habe ich mich eben nicht allein auf Sichtbarkeit konzentriert und anhand derer Ausschlusswünsche formuliert (was ich eh nicht gemacht habe), sondern ich habe mich auf Verhalten konzentriert und an verschiedenen Stellen Verhalten mit Visualität gekoppelt.

      Das ist der Punkt, an dem ich meine Texte selbst schwierig und kritisch finde, denn eventuell ist jegliche Kopplung mit Sichtbarkeit hier problematisch und eigentlich nicht Sinn der Sache. Da bin ich selbst im Denkprozess und hoffe, mit der Zeit zu guten Ideen zu kommen.

      Und ich würde gerne nach wie vor dabei bleiben, dass das Verhalten in queeren Räumen ein anderes ist, als das Verhalten im heteronormativ strukturierten Raum. Und das gilt für mich unabhängig der Wahrnehmung durch ein Außen als heter@. Ich gehe davon aus, dass die Zugehörigkeit zu queeren/trans*/fem/me/butch/etc.-Räumen subkulturelle Verhaltenscodes produziert, die ich lesen kann, wenn ich mir die Mühe mache, sie zu lernen. Ich finde beispielsweise, dass die Dynamiken bzw. das Verhalten/ das Agieren im Raum von Fem/mes definitiv anders lesbar ist als das von Heterofrauen, die sich auf die Party verlaufen haben.
      (Und bitte: Auch da keine klare Grenze, wenn Heteras, die sich viel in queeren Räumen aufhalten, sich entsprechend der Regeln dieser Räume verhalten (die ich nicht aufgestellt habe, btw), dann sind sie auch unterscheidbar von zufällig auf der Party Gelandeten.)

      Was Fem/me-Unsichtbarkeit in queeren Räumen angeht, würde ich gerne Folgendes in die Diskussion werfen:
      Schon ziemlich lange werden in queeren Räumen maskuline/androgyne Genderperformances bevorzugt, was leider auf die internalisierte Misogynie auch queerer Subkultur schließen lässt und was in meinen Augen nach wie vor fast überhaupt nicht bearbeitet ist. Dass das alle die von Dir oben beschriebenen Auswirkungen des Nicht-Wahrgenommen-Werdens auf Fem/mes hat, steht außer Frage und an dieser Stelle danke für die Auflistung, die ich sehr wichtig finde. Ich würde mich allerdings freuen, wenn mein Text nicht in dieser Richtung gelesen wird, weil das wiederum die viele Arbeit und die vielen Gedanken unterläuft, die ich bisher in das Thema gesteckt habe. (Womit ich nicht behaupten möchte, dass ich es gecheckt habe, definitiv nicht! Aber ich würde hier gerne nicht gelesen werden als random zu dem Thema mal was Schreibend_er.)
      Ich unterscheide zwischen Heter@s, die Heteronormativität produzieren (Achtung: Damit sind eben nicht alle Heter@s gemeint) und Fem/mes, die Heteronormativität in Frage stellen. Für mich ist das wahrnehmbar. Ich sehe aber auch, dass die Feinheiten von Heteronormativitätskritik auf der femininen bzw. fem/me Seite der Identitätskategorien oder Gender-Performances in queeren Räumen häufig nicht wahrgenommen werden, was für queere Subkulturen ein Aufholen in Sensibilisierung und Wissen um diversere queere Praxen fordert.
      An dieser Stelle finde ich es außerdem überlegenswert, ob die Politiken, die queere Räume umstandslos für alle öffnen (ohne nach der heteronormativitätskritischen Agenda zu fragen bspw.), zusammengenommen mit Femininitätsfeindlichkeit und Bevorzugung von Androgynität, dazu führen, dass Fem/mes wieder mehr in die Verlegenheit kommen, als heter@ durchzugehen. Ich würde fragen, ob die Anwesenheit heteronormativer Heteras in queeren Räumen sich vor allem negativ auf Fem/mes und deren Wahrnehmung auswirkt.
      (An dieser Stelle ein fröhliches Danke! an Teile des Ganzen, mit der* ich das in letzter Zeit wieder intensiver diskutiere. :))
      Und schließlich: Ja, ich finde auch, dass es einen Unterschied geben muss zwischen Fem/mes, die Heteronormativität kritisieren und denen, die Heteronormativität re_produzieren. Das ist natürlich jetzt eine künstliche Trennung, so genau funktioniert es nicht. Aber ich habe schon genug mit Fem/mes zu tun gehabt, die Heteronormativität produzieren (wollten), und die darüber eher queere Fem/meness ablehnen (mussten). Das finde ich nach wie vor kritikwürdig, diese Fem/mes dürften sich von mir aus gerne mit den von ihnen vorgenommenen heteronormativen Ausschlüssen auseinandersetzen. Da finde ich, dass das Gender nichts mit den politischen Praxen zu tun hat.
      Aber: Heteronormativitätskritische Fem/mes habe ich mit meinem Text nicht angesprochen.

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      1. Teile des Ganzen

        <3 Danke für diesen Kommentar, der (mal wieder) so vieles so gut auf den Punkt bringt. Und Dank zurück für besagte Gespräche!

        Zum Thema Femmes und Heteronormativitätskritik möchte ich noch erwähnen, dass es mir jedesmal kalte Schauer des Entsetzens über den Rücken geschüttelt hat, wenn mir mal wieder (ja, das kam mehrfach vor) eine selbstdefinierte Femme – noch dazu in selbstverständlicher Annahme meiner Zustimmung! – ungefragt erzählte, wie ästhetisch abstoßend und politisch kontraproduktiv sie Butches/weibliche Maskulinitäten findet.
        Und genau da fängt dann meine Kritik am Verhalten eben dieser Sorte Femmes an. Und das kann durchaus gleichzeitig mit einer Solidarisierung wegen gemeinsamer Kritik an Femininitätsfeindlichkeit in lesbischen/queeren Kontexten stattfinden.

        In anderen Worten: Es hat ja nie irgendwer behauptet, dass Cisheten die einzigen sind, die zu Problemen in queeren Räumen führen. Aber nur, weil sich LGBTQ*-Menschen auch an vielen Stellen scheiße und normativ verhalten (und damit meine ich die ganze Bandbreite von Femininitätsfeindlichkeit bis Rassismus etc.), und wir das dringend kritisieren sollten, heißt das ja nicht, dass wir deswegen die bestenfalls unsensiblen und schlimmstenfalls absichtlich privilegienausnutzenden Cisheten in LSBTQ*-Räumen nicht mehr kritisieren dürften…

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      2. distelfliege

        > Ich würde fragen, ob die Anwesenheit heteronormativer Heteras in queeren Räumen sich vor allem negativ auf Fem/mes und deren Wahrnehmung auswirkt.

        Dazu würde ich sagen, definitiv ja.. wir ham da einen queerfeministischen stricktreff, zu dem viele kommen, weil sie halt gern stricken oder häkeln, und nicht wegen queer und feminismus. in dem kontext werden automatisch (denk ich mal) femmes als heteras wahrgenommen, gerade weil halt „wir“ heteras auch zahlreich vertreten sind, und unsere anwesenheit genau diese auswirkung hat wie du sagtest.
        leider fällt mir dazu nicht wirklich ein, was eine praxis sein könnte die diese „automatische vorannahme“ entkräften könnte, vll. dass sich die heteras, die sich dessen bewusst sind ab und an sich selber markieren, anstatt immer die stillschweigend vorausgesetzte norm zu sein? ich fürchte, das reicht aber nicht…

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        1. Frl. Urban

          Hallo Distelfliege…
          Dieser Stricktreff *seufz*. Stricken ist nicht mein größtes Hobby, deswegen ist es kein großer Verlust, nicht dort zu sein.
          Aber ich habe ihn unter anderem nicht mehr besucht weil A) Lookistisches austauschen über ich-wär-gern-dünner und B) heteronormative Aussagen. Beispiel: Aber das ist doch gerade das, was eine gern sehen würde (bezog sich auf nackt herumspazierenden Mann).
          Wie mit ersterem umgegangen werden sollte – ich weiß nicht. Bei letzterem wünsche ich mir ein großes facepalmen jeglicher Person, die gegen unterdrückenden Scheiß anleben. Und zwar vor allem von Heten.
          Ich schließe mich dem „Meine Güte, du glaubst echt, jede_r hier am Tisch giert danach, diesen Schw*nz zu sehen?“ gerne an. Aber ich möchte das nicht anstimmen (müssen). Daher habe ich einfach nur entsetzt geschwiegen.

          Markieren der eigenen Heterosexualität… ist hilfreich. Aber nicht für mich als feminine lesbische Femme. Sondern eher für bisexuelle Frauen in heterosexuellen Beziehungen. Einfach um noch mal klarzumachen: Dass eine jetzt in einer heterosexuelln Beziehung ist bedeutet nicht, dass sie das immer ist.
          Ist verständlich, warum? Und: Vielleicht können Bisexuelle sich dazu äußern, ob das tatsächlich hilfreich ist?

          Für mich ist es nicht hilfreich, wenn Heten sich als Heten outen, weil ich dadurch nicht meines Coming Outs an dem Ort enthoben bin. Jaaaaaaaa, ich hab verdammt lange in Richtung Bardame (1) geschielt. Aber das haben eh nur geübte Augen gesehen. Für alle anderen bin ich hetero, bis ich mich oute. (Oh Go_ettin und das nervt!)
          Bezüglich des für hetero gehalten werdens reagiere ich gerne mit kräftigem Augenrollen. Und freue mich, wenn andere darauf einsteigen.

          Denke noch über ein grundsätzliches Ändern der Spielregeln darüber, wer sich zu outen hat, nach. Wenn an queeren Orten nur Heten_typen sich outen, dann funktioniert es. Aber ich habe schon auf dem Klo vom SO36 „Ich bin lesbisch.“ gesagt. *seufz*

          Grüße,
          Frl. Urban

          (1) „Bardame“ bezeichnet nicht das Geschlecht der Person sondern meine Vorstellung von der Person. Als Flirtende projiziere ich sehr viel auf Menschen.

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      3. Frl. Urban

        Hallo Laufmoos,
        Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Besonders großen Dank, dass du meinen Schmerz einfach wahrgenommen und nicht mit vielen schönen Zitaten versucht hast, wegzubelegen. Aso, zu belegen, dass dieser Schmerz hier nichts zu suchen hätte.

        Ich lasse die Worte unter dem Artikel noch ein bisschen durch meine Gedanken zirkulieren…
        dann schreibe ich noch mal.

        Grüße,
        Frl. Urban

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  2. Lea

    Viele komplizierte Worte aber im Endeffekt… mich, bisexuell, und meinen bisexuellen Freund auf ner Party zusammen wirst du einfach immer als „heteronormativ“ lesen oder? Ich hab keinen Bock mehr auf den Scheiß. Bisexuell und Femme ist in diesem Kontext einfach so ermüdend.

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    1. laufmoos Artikelautor

      Für mich ist es ermüdend, dass das, was ich in viele Worte packe, offensichtlich nicht richtig gelesen wird.

      Ganz kurz, ohne zu viele Worte: Wenn Du und Dein Freund euch heteronormativ/abwertend/-istisch verhaltet, dann werde ich euch wahrscheinlich so lesen. Wenn nicht, dann nicht.

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      1. Natanji

        Das kommt für mich aus dem Text aber nicht raus.

        Wenn du zwei Menschen, die du als Männer liest, groß auf der Tanzfläche rumknutschen, so scheinst du das zumindest anders zu bewerten als wenn ein von dir als Mann und Frau gelesenes Paar rumknutscht.

        Aber wenn Mann und Frau bisexuell sind, so sind sie ebenso queer wie die beiden Männer, oder? Und auch wenn sie was ihre Küsse angeht in der Öffentlichkeit wohl mit einer sehr *anderen* Diskriminierung zu rechnen haben als die beiden Männer (Bi erasure bzw. Unsichtbarmachung gegenüber offener Anfeindung), so macht es ja keinen Sinn das zu hierarchisieren/oppression olympics zu spielen.

        Ich würde daraus somit folgern, dass die Handlungen der beiden Paare exakt gleich bewertet werden sollten – NUR das Verhalten zählt. Das Geschlecht (sex und gender) der handelnden Personen ist egal. Sind wir soweit d’accord, oder siehst du da was anders?

        Die Orientierung (bisexuell oder nicht, queer oder nicht) kannst du den Menschen aber nicht ansehen. Es sieht nun mal exakt gleich aus wie bei nem Hetenpaar. Wenn sich alle diese Paare gleich Verhalten, so sehe ich damit einfach keine Basis für die krass unterschiedliche Bewertung. Ich versteh’s jedenfalls nicht.

        Worauf ich hinauswill: ich glaube du bist auf dem Holzweg mit deiner Argumentation. Du sprichst extrem vage von einem von der queeren Subkultur erwarteten Verhalten, mischst aber die Orientierung irgendwie mit rein. Ich sehe aber keine Basis für eine Kritik jenseits von Verhalten (wie oben geschildert), und dann muss man ein Tanzfläche vereinnahmendes Rumgemache von zwei Schwulen oder zwei Lesben eben genauso kritisieren und scheiße finden, wie wenn das zwei verschiedengeschlechtliche Bisexuelle oder eben zwei verscheidengeschlechtliche Heten machen – oder?

        Ich würd’s wirklich gerne bessere verstehen, aber es fühlt sich einfach gerade sehr an als hättest du über Bisexuelle nicht so viel nachgedacht. Um mal den Frust etwas abzulassen (das ist jetzt nicht gegen dich, sondern die queere Community als Ganzes gerichtet): Wie kann ich mich als Bisexueller denn einfacher „heteronormativ“ als andere? Warum muss ich da anscheinend mehr aufpassen als andere queere Menschen? Eigentlich doch nur, weil die queeren Leute mich falsch lesen. Und falsch gelesen werden ist nicht meine Schuld/mein Fehler, sondern Teil der Diskriminierung gegen mich. Denn *ich* bin *ich* und sollte meine eigene Identität und Orientierung doch nicht in ihrem Ausdruck verändern müssen, um als solches ernst genommen zu werden. So fühlt es sich aber oft an: „verpass‘ dir nen Look der zu dieser Subkultur passt oder wir sehen dich als Hete“. Wie damals in der Schule… 🙁

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        1. Paula

          Hallo Lea und Natanji,

          ich empfinde eure Beiträge als sehr derailend. :/

          Laufmoos beschreibt im Text sehr detailliert, auf welche Situationen sich hier bezogen wird:

          Und dann gibt es die Leute, die sich dem queeren Spektrum zugehörig fühlen und genau das Verhalten re_produzieren, dass ich oben beschrieben habe […]. Und ob diese Leute von Aussehen her als cis_heter@ durchgehen oder nicht, für mein Gefühl brechen sie in diesem Moment ebenso ungeschriebene Regeln und verhalten sich nicht so, wie ich es mir auf einer queeren Party wünschen würde.

          Das Äußere an sich kann m.E. hier keine klare und gültige Aussage über die Zugehörigkeit oder die Positionierung im Raum machen, weshalb ich es ja an Praxen kopple.
          Gleichzeitig finde ich es schwierig, bei sehr heteronormativem, grenzüberschreitendem Verhalten zunächst mal zu diskutieren, ob Leute unpassenderweise als hetero gelesen werden oder nicht.

          Es geht nicht um Identitäten. Es geht darum, wer wie auf den ersten und zweiten Blick wahrgenommen wird.

          Ja, das ist vielleicht nicht immer fair. Aber es geht hier um eine Party (+/- 8 Stunden!), auf denen manche vielleicht ungerecht in irgendwelche Schubladen gesteckt werden, die eigentlich nicht passen. Aber dieselben Menschen werden meist auch in der Hetero-Welt-da-draußen-TM so gelesen und erst mal in diese Schubladen gesteckt. Und sind dadurch safer und erfahren viel Handlungsspielraum.

          Das es viel viel Bi- und Fem/me/-Feindlichkeit und -Unsichtbarmachung gibt, darauf bezieht laufmoos sich auch in den Kommentaren mit Frl. Urban (und noch immer gibt es da wahnsinnig viel dran aufzuarbeiten in der queeren Szene). Aber hier ging es um Paar-Verhalten – und wenn ein Paar auf den ersten und zweiten Blick als heteronormativ (damit meine ich „MannTM-FrauTM-Beziehung“, wie die heteronormative Welt sie definiert) gelesen wird, dann fühlt sich deren (im Text oben ausführlich beschriebene) Performance nun einmal nicht cool an.

          Das hat in diesem Fall weniger mit Identitäten zu tun als mit eigener Reflektion, finde ich. Vielleicht sind die beiden auf der Tanzfläche rumknutschenden Typen ja sogar beide hetero. Na und? Sie können aber in dieser Konstellation nicht auf der Straße rumknutschen, selbst wenn sie sich das auf die Stirn schreiben!

          […] dann muss man ein Tanzfläche vereinnahmendes Rumgemache von zwei Schwulen oder zwei Lesben eben genauso kritisieren und scheiße finden, wie wenn das zwei verschiedengeschlechtliche Bisexuelle oder eben zwei verscheidengeschlechtliche Heten machen – oder?

          Noooooope! Willst du echt diese eine Tanzfläche mit dem Alltag da draußen vergleichen? Wo ich meinen Freund jederzeit an der Hand halten / an der Supermarktkasse das Kinn auf die Schulter legen / in der Bahn jederzeit meine Arme um ihn legen / ihn wann ich will kurz küssen bis abknutschen kann? Mit meiner Freundin* kann ich das alles nicht tun, ohne Unwohlsein bis Angst zu verspüren. Und deswegen würde ich meinen Freund nicht in queere safe spaces mitnehmen, oder wenn aus irgendwelchen Gründen doch mal, dann ganz sicher sehr zurückhaltend mit ihm umgehen. Während ich mit meiner Freundin vielleicht sogar länger knutsche, als mir ein so ein Rumknutschen in der Öffentlichkeit grundsätzlich lieb ist – einfach, weil ich dann endlich mal kann, ohne Angst zu haben, wie mein Umfeld das findet.

          Und wenn das ihr und eure Partner_innen als auf den ersten und zweiten Blick heteronormativ gelesene Beziehung das nicht verstehen und mit trotziger Mentalität reagieren wollt, dann benehmt ihr euch in diesen queeren Räumen halt sehr unreflektiert, raumeinnehmend und – sorry, aber ja – Scheiße.

          [Es gibt – wie auch im Text und den Kommentaren erwähnt – noch ganz andere Schienen, an denen sich Problematiken auftun. Ich beziehe mich mit meinem Kommentar nur auf meine Wahrnehmung als weiße, junge, able-bodied, bisexuelle Cis-Frau, so wie ich euch beide nach den Kommentaren auch wahrnehme.]

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          1. Natanji

            Leider jetzt erst gesehen, lange Zeit nach deinem Kommentar – aber ich mag dir noch antworten.

            Erstmal: Es ging nicht um „Ich bin nicht so!“ oder „Hör auf mich zu stereotypisieren“, ich finde deinen Derailing-Link daher auch überhaupt nicht passend. Ein wesentlicher Punkt in der Argumentation des Blogeintrags hier ist es eben – wie du selbst nochmal passend zitierst – dass ein bestimmtes Verhalten unterschiedlich bewertet werden soll, je nachdem, welcher Gruppe (hetero, homo, queer, whatever) ich Menschen zuordne. Und ja, das ist natürlich völlig okay und angebracht, denn verschiedene Gruppen haben unterschiedliche Privilegien und Probleme usw.

            Wenn es nun um selbstidentifizierte Heten ginge, die so der Kritik entfliehen wollen: klar, das wäre Derailing, denn dann geht es plötzlich um überhaupt nicht marginalisierte Menschengruppen, die sich der Kritik erwehren, die aus der Perspektive einer marginalisierten Gruppe gemacht wird.

            Aber hier geht es (und zwar nicht reininterpretiert von uns, sondern explizit erwähnt) um verschiedene (und sehr verschiedenartig!) marginalisierte Menschengruppen: Bisexuelle und Homosexuelle. Wenn die Interessen einer marginalisierten Gruppe hinten anstehen müssen gegenüber den Interessen einer anderen, so geschieht Unrecht. Und ich finde, auf dieses Unrecht hinzuweisen KEIN Derailing – denn es ist äußerst wichtig, jegliche Marginalisierung zu stoppen. Wenn (aus der Luft gegriffenes Beispiel jetzt) ein critical whiteness-Artikel z.B. sexistische Kackscheiße über Frauen enthält, dann ist es kein Derailing, darauf hinzuweisen und das zu kritisieren, auch wenn Frauen nie das Thema waren. Denn wir kommen ganz klar nicht weiter, wenn die eine marginalisierte Gruppe auf der anderen rumhackt oder plötzlich eine kritikfreie Zone für ihre eigenen marginalisierenden, problematischen Entgleisungen erhebt.
            (Aber gut, das ist nicht der inhaltlich wichtige Punkt. Ich wollte einfach einen Versuch zur Erklärung starten, warum das hier kein Derailing ist.)

            Wo wir uns vermutlich einig sind: Bisexuelle sind eine gesellschaftlich marginalisierte Gruppe. Dein Kommentar klingt daher für mich ziemlich nach oppression olympics. Natürlich müssen verschiedengeschlechtliche Bisexuellen-Paare nicht vor den gleichen Dingen Angst haben wie gleichgeschlechtliche; natürlich hat das „passing“ als Hetero oberflächlich gesehen Vorteile. Dass ich aber vlt. Angst habe dass meine Identität ausgelöscht wird, sogar im queeren Raum (für mich gibt es im Gegensatz zu z.B. Schwulen oder Lesben so gut wie *gar keinen* Ort, wo meine queere Identität nicht dauernd infrage gestellt wird…), ist ebenfalls eine ziemlich heftige Marginalisierung. Mir würde kein Maß einfallen, an dem man jetzt das eine oder andere als wichtiger oder unwichtiger hinstellen könnte/sollte…

            Bisexuelle können ganz andere Gründe haben, warum sie verschiedengeschlechtlich auf einer queeren Party genauso rummachen wollen wie gleichgeschlechtlich, warum sie gewisse Dinge nur auf der queeren Party tun können. Ich habe z.B. in einem queeren Raum endlich mal die Chance, mit meinem verschiedengeschlechtlichen Partner überhaupt noch als „queer“ wahrgenommen zu werden, denn – surprise surprise – es gibt in queeren Räumen durchaus einzelne Menschen, die mich dann als queer erkennen.* Das Problem ist, es wird auch immer welche geben, die das nicht tun. Die mich falsch lesen. Und dann gibt es Probleme:

            Aber hier ging es um Paar-Verhalten – und wenn ein Paar auf den ersten und zweiten Blick als heteronormativ (damit meine ich “MannTM-FrauTM-Beziehung”, wie die heteronormative Welt sie definiert) gelesen wird, dann fühlt sich deren (im Text oben ausführlich beschriebene) Performance nun einmal nicht cool an.

            Natürlich fühlt sich das nicht cool an! Aber es fühlt sich für Bisexuelle auch nicht cool an, wenn sie auf einer angeblich „queeren“ Party mal eben ausgeschlossen werden, ihre Zuneigung zu zeigen; wenn ihnen demonstriert wird, dass ihr Begehren unsichtbar gemacht oder in eine heterosexuelle Ecke gestellt wird. So what? Haben die Homosexuellen jetzt mehr Recht auf diesen Raum als die Bisexuellen? Ich denke nicht.

            Was ihr wollt, ist wie mir scheint keine queere Party. Benennt doch, was ihr da haben wollt: „Homos only“ oder „Nur gleichgeschlechtliches Begehren erlaubt“ oder was weiß ich. Sehe ich für sich genommen keinerlei Problem mit: natürlich soll es extra Schutzräume für Homosexuelle geben können! Aber du kannst deine Party nicht allen ernstes allumfassend queer nennen – wo Bisexuelle dazugehören! – und dann die Oppression von Homosexuellen gegen die Oppression von Bisexuellen ausspielen und aufwiegen. Keine Marginalisierung ist schlimmer als die andere. Es ist einfach anders. Es ist nicht vergleichbar.
            (Ähnliches gilt für FLTI*-Partys, bei denen Penisse nicht gezeigt werden sollen, weil sich das dort für einige nicht cool anfühlt. Ist okay, aber dann tut nicht so, als sei es allgemein TI*-inclusive, herrgottnochmal, sondern sagt „Vulvatragende only“ oder sowas. Aber da haben andere schon ausreichend viel drüber geschrieben.).

            *(Hoffe ich zumindest. Leicht steuerbar ist es nun nicht… Denn hier wird vage über ein „heterosexuell wahrgenommen werden“ gesprochen wird, aber gar nicht klar gemacht, was bisexuelle verschiedengeschlechtliche Paare überhaupt tun können, um queer bzw. nicht-Hetero wahrgenommen zu werden. Es existieren (weder in der „normalen Gesellschaft“ noch in der queeren Szene) eindeutige Merkmale, wie Bisexuelle sich als solche outen können, insbesondere als verschiedengeschlechtliches Paar. Wenn du da gute Ideen hast, wäre ich dankbar dafür.)

  3. Teile des Ganzen

    Ich packe den Link zu meinem Ablegertext (geschrieben aus meiner Perspektive als queere Femme, die vorrangig queere Maskulinitäten/Männlichkeiten begehrt, die zumindest öfter mal als Cismännlichkeiten gelesen werden) mal hierhin: Über Cisheten in LSGBTQ*-Räumen.

    Und sonst: So wie ich Jokes Texte verstehe, geht es eben genau NICHT darum, dass platte Zuschreibungen gemacht werden, à la „die sieht konventionell feminin aus, ist also bestimmt hetera (und deswegen böse und soll nicht in unseren Räumen sein)“ oder „da küssen sich eine feminine Cisfrau und ein maskuliner Cismann, die müssen also beide heter@ sein (und sind deswegen böse und sollen nicht in unseren Räumen sein)“.

    Ich kenne sehr genau die Ablehnung, die mir als (zumindest zwischenzeitlich) relativ konventionell gegenderter Femme oder als femininer Partnerin eines oft ziemlich gut als cismännlich passenden Transmenschen in LSBTQ*-Räumen entgegenschlägt. Und ich kämpfe seit Jahren gegen die Projektionen von angeblicher „Normalität“ und Normativität an, die LSBTQ*-Leute mir aufgrund meines Genders und meines Begehrens zuschreiben. Fühlt(e) sich alles ganz schön scheiße an. Nicht nur deswegen bin ich sowas von dabei, wenn es darum geht, die in solchen Zuschreibungen implizite Femininitäts- und Bifeindlichkeit zu kritisieren.

    Aber es ist schon auch sinnvoll, mal zu gucken, wer da eigentlich gerade wen und welches Verhalten kritisch betrachtet. Es bedarf nämlich höchstens zwei Klicks und vielleicht sieben Minuten Lese- und Denkzeit, um herauszufinden, dass Joke jetzt nun wirklich keine Quelle von stumpfer Femmefeindlichkeit, von undifferenziertem Zusammenschmeißen von allem, was irgendwie vage nach „heter@“ aussieht, oder von platter Wahrnehmung in entweder/oder-Kategorien ist. Und dass seine_ eigene Position in queeren Räumen auch nicht unbedingt eine im Zentrum der allseitigen Akzeptanz ist.

    Insofern würde ich gern Frl. Urban und Lea versichern, dass die Leute, die auf dieser Party auf der Tanzfläche geknutscht haben, auch mit gut geschultem queerem Blick für sehr subtile Ausdrucksformen von Queerness eben keine Femmes oder Transfrauen oder Transmänner oder reflektiert-respektvolle Bisexuelle in romantischer Umarmung waren, sondern ganz einfach stinknormale Cisheten. Die ganz stinknormal genau das gemacht haben, was sie überall sonst auch machen: ohne nachzudenken Raum einnehmen.

    Und deswegen plädiere ich dafür, dass jetzt nicht alle ihre eigenen Kritikpunkte an queeren Normen in queeren Räumen Joke in die Schuhe schieben und von ihm_ erwarten, dass er alle diese Kritikpunkte ebenfalls in (s)einem_ Text umfassend darstellt und behandelt. Das kommt mir nämlich oft so vor wie prinzipiell berechtigtes Auskotzen an leider komplett falscher Adresse, und das finde ich immer eher unproduktiv und frustrierend für alle Beteiligten. Ich schlage also vor, dass wir unsere Kritik an queeren Normen und Ausschlussmechanismen an eigener Stelle und parallel formulieren, so dass sie neben dem stehen kann, was Joke analysiert und kritisiert. Denn das eine (Kritik an problematischem Verhalten von Cisheten in queeren Räumen) schließt das andere (Kritik an queeren Normen, die einigen LGBTQ*-Menschen das Leben schwermachen) ja nicht aus.

    Auch das wäre für mich ein Ausdruck von sinnvoller inner-queerer Solidarität über Identitätsgrenzen hinweg.

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    1. laufmoos Artikelautor

      Dear Teile des Ganzen,

      danke für die vielen Blumen! 🙂 <3

      Aber: Dass ich *dort* mal was gearbeitet/geschrieben habe, heißt dann doch noch nicht, dass ich nicht *hier* auch Kritikwürdiges von mir geben könnte! Bzw. auch Kritik kann ja solidarisch sein.

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  4. Bäumchen

    Danke für deine sehr ausführliche Antwort.
    Ich gehe tatsächlich kaum auf Queerpartys, hab ich heute realisiert, nämlich gerade eben wegen der unausgesprochenen Regeln, die u.a. wie du auch erwähntest, sehr oft auch Hegemonie reproduzieren und eben nicht nur subversiv sind. Vielleicht kann ich deshalb auch meine eigene Reaktion als bisexueller Mensch (und der kommentierenden Person über mir) verstehen (nicht entschuldigen): Der Vorwurf, dass Bisexuelle „halbe Heter@s“ sind ist Teil der queeren Geschichte, und die berechtigte Wut ggü Cisheten hat eben auch immer Auswirkungen darauf gehabt, wie mit bisexuellen Menschen umgegangen wird, und die Frage ist für mich spezifisch: Was ist heteronormatives Verhalten, und haben wir alle dasselbe Wissen darüber? Du schreibst, es geht nicht um Wahrnehmung, sondern um ein bestimmtes Verhalten; aber letztendlich nimmt die Umgebung ein Verhalten wahr und gebt dem Gewicht, wie sie die Leute lesen, die dieses Verhalten produzieren.
    Beispiel (hab ich heute auch getweetet, falls es sich für manche wiederholt): Letztens war ein Men of Color auf ner Soliparty, die von ner Trans*-Gruppe initiiert wurde. Es schlug ihm ne sehr feindliche Atmosphäre entgegen unter den vornehmlich weißen queeren Menschen. Vermutlich nahmen sie sein Auftreten als hegemonial männlich wahr. Aber, was vergessen wird, ist dass Men of color eh immer hypermaskulin, eh immer mehr als Machos gelesen werden als weiße Männer*, und dass sich hier unter den weißen trans* Menschen ne rassistische Dynamik entfaltete, in der Art wie sie „Hegemonie“ lesen und dann in ihrer „Ethik“ umsetzen.
    Ich finde nicht, dass wir deswegen aufhören müssen über Ethik zu reden, und halte es auch nicht für verkürzt, zu erwähnen, welche Problematiken sich zT mit ner Ethik entfalten, die in ihren Auswirkungen auch andere Menschen statt allein weiße Cisheten angeht.
    Und: Es ist ein riesen Problem, dass als Gegensatz zur weißen Cishete ne weiße, schlanke, oft junge und maskulin performende Person für „Queersein“ steht, auch eines dieser ungeschriebenen Regeln. Das befürchte ich nämlich, verstehen einige Menschen auf solchen Partys als „queer sein“(tm). (wie auch Frl. Urban und teiledesganzen ansprachen)

    Nooooch was 😀 Auch schon getweetet. Ist Heterosexualität an jeder Achse dasselbe? Würden wir uns genauso verletzt fühlen, wenn ein steinaltes Paar auf der Tanzfläche knutschen würde oder vllt ne Muslima mit Kopftuch ihren Freund? Wir wissen schon so sehr, dass die meisten auf Queerpartys jung und weiß und oft able-bodied sind, dass wir es schon gar nicht erwähnen. Weil die ungeschriebenen Regeln schon zu dem Ausschluss derer führten, die uns vielleicht aufzeigen könnten, dass nicht jede Heterosexualität immer erwünscht war. Ein Beispiel dafür ist, wie @thetrudz mal festhielt, die Dämonisierung der Sexualität von Schwarzen heterosexuellen Frauen*. Also, wer queert alles Sexualität?, wenn wir schon bei der Frage sind.

    Ich bin dir aber auf jeden Fall sehr dankbar für deinen Text, und sehe meine Gedanken auch nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung.

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    1. Teile des Ganzen

      @ Bäumchen: Vielen, vielen Dank für die vielen Anstöße zum Weiterdenken (nicht zuletzt wegen der hilfreichen Beispiele) in deinen Kommentaren! Und ein ausdrücklicher Extradank für das implizite Aufmerksammachen auf die eine oder andere Wahrnehmungslücke meinerseits.

      Jetzt gerade denke ich: Ich sollte/möchte noch mehr relevante Kategorien benennen, wenn ich über queere (und andere) Räume und das, was ich in ihnen wahrnehme/erlebe schreibe. Und selbstverständlich muss ich dafür erstmal meinen Blick weiter schärfen, damit ich diese Kategorien überhaupt als relevant wahrnehmen kann… Work in progress continues!

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  5. Bäumchen

    *nur um es etwas klarer zu formulieren: grade im Bezug auf Muslimas* und Women* of Color beziehe ich mich darauf, wie in mehrheitlich weißen Gesellschaften die Beziehung zwischen MoC und WoC dargestellt werden, wie Familiengründung zB dämonisiert wird, die Beziehung als beinah immer gewalttätig-patriarchal-unterdrückend interpretiert wird etc. und WoC* schon immer mehr dafür kämpfen mussten, Kinder haben zu können im Gegensatz zu weißen Frauen*

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  6. Sabina

    Ich kann deine Meinung zwar gut nachvollziehen und trotzdem fühl ich mich verletzt. Der Text lässt mir keine Ruhe, was bestimmt mit einigen Erlebnissen an Queerenpartiey zusammenhängt. An dieser Stelle muss ich wohl mal erwähnen, dass ich eine Heterofrau bin. So kam es aber an Parties der Queerszene oft vor, dass ich aufgrund meiner Hetrosexualität (vorallem von lesbischen Frauen) diffamiert werde oder in meiner sexuellen Identntät nicht ernst genommen werde. Wenn dich nun also küssende Heteropaare an Queerparties stören, vermittelt mir das, dass du ein Problem mit meiner Sexualität hast. Diese ständige gleichung Hetero= schlecht nervt. Die akzeptanz und toleranz die von mir erwartet wird, erwarte ich zurück ! Ich bin kein Fan von Heteronormativität und der ganzen Geschlechterhegemonie, ich wehre mich gegen beides wehement. Nur habe ich langsam keine Lust mehr, mich mit Leuten zu solidarisieren und mich für sie einzusetzen die ein Problem mit meiner Sexualität haben nur weil sie der Norm enstpricht (wir heten haben uns unsre sexualität genau so wenig ausgesucht wie alle anderen). Lange Rede, kurzer Sinn, die latentr Heterophobie die mir in der Szene leider immer wieder entgegenschwappt geht mir derbe auf die Nerven.

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    1. Sabina

      Und nur um das klar zu machen, meine solidarität und mei Einsatz beschränkt sich nicht darauf, dass ich an ein paar Parties gehe.

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  7. lantzschi

    Die grassierene _Heterophobie_ in queeren Räumen ist tatsächlich nicht hinnehmbar. „Wir“ müssen aufpassen, dass die Heten „uns“ nicht ihre Solidarität verweigern, wenn „wir“ weiterhin so verurteilend ihnen gegenüber sind. Sie möchten sich wohlfühlen, egal wo sie hinkommen, egal wie sie sich verhalten, sie möchten willkommen sein. Alles andere wäre ja umgekehrte Diskriminierung und das geht nun wirklich gar nicht klar. Am Ende sind „wir“ selbst schuld, wenn Diskriminierung gegen „uns“ fortbesteht.

    Just kidding, but this is ridiculous. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie Menschen, die verstanden haben, dass es Rückzugsorte geben muss, bei denen ein anderes Miteinander ermöglicht werden soll als es außerhalb dieser Orte stattfindet, darauf pochen können, dass diese Orte genauso funktionieren sollen wie jeder andere Ort. Logik, anyone? Andere Argumentation: Aus diesen Orten sollen die Ursachen für Diskriminierung komplett herausgehalten werden, so dass ALLE(tm) sich wohlfühlen und machen können, wonach ihnen beliebt. Warum ist es überhaupt meine Aufgabe solch einen Ort zu kreieren? Für Heten? Warum soll ich einen Ort schaffen, der Machtverhältnisse leugnet und ignoriert (und damit auch alltägliche Diskriminierung verharmlost)? Warum wird mir aufgezwungen, dieselben Denkmuster zu übernehmen, die 99% aller Heten unbeschwert durchs Leben schreiten lässt? Die Denkmuster, die ich mühsam verlernen musste, um existieren zu können? Die Denkmuster, dir mir jeden Tag überall aufs Neue vorgelebt werden und zeigen, dass Diskriminierung auch ist, wenn so getan wird, als gäbe es sie nicht? Weil es keine Menschen gibt, die mit Heterosexualität nichts anfangen können? Ja offensichtlich ist es so, dass diese Menschen im allgemeinen Denken von Heten nicht vorkommen, zumindest nicht als jene, die Diskriminierung erleben und schon gar nicht durch Heten und ihr Verhalten. Also bitte! Ich bin genervt von diesem Diskriminierungsverständnis, das nur physische Gewalt, offene Beschimpfungen und „Benachteiligung“ durch Institutionen (die auch immer erst zufriedenstellend bewiesen werden muss, bevor sie geglaubt wird) als diskriminierend anerkennt. Ich kann ja durchaus nachvollziehen, dass Komplexitätsreduktion bei kognitiver Dissonanz, Schuld, Scham und sonstigen Abwehrmechanismen hilft, um sich nicht mit den „Problemen anderer Leute“ zu beschäftigen. But well, that’s your problem. So don’t push this on me and give yourself some help with your whiny tiny feelings and missunderstandings of a world, you are creating everyday with your actions.

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  8. ruolbu

    Ich möchte dir Recht geben, dass queere Räume (für mich) einen anderen Flair haben. Sie geben mir mehr Sicherheit einfach durch die identifikation mit diesem Label, welches ich verwende um mich zu beschreiben – womit ich mich ebenfalls identifiziere. Bestärkung erhalte ich durch weit verbreitete und offen zur Schau gestellte Symbole der queeren Szene wie Verhalten, Sprache, Gesprächsthemen, Frisur- und Kleidungsstile und Musik die evtl. läuft. Unsicher werde ich dann wieder dadurch, dass sich in der Menge auch Leute befinden, die sich nicht derartig outen, und nichts, was eindeutig zur Subkultur gehört, offen ausleben, so dass es für mich auf große und mittlere Distanz sichtbar wäre – gegenteilig sogar zum Beispiel wie ein Heteropaar wirken, was gerade groß am Knutschen ist. Im ersten Moment weicht die bloße Anwesenheit solcher Menschen für mich die Identifizierbarkeit mit dem queeren Raum auf, da ich mich so in diese offen ausgelebten Symbole der Subkultur verliebt habe, dass ich sie nicht missen möchte.
    Nun gehöre ich in aller Regel zu eben diesen sich nicht outenden Mensch dazu. Ich liebe wie gesagt diverse häufig auftretende Stilelemente der queeren Szene, da sie für mich ein Symbol des Labels sind, mit dem ich mich identifiziere, mag diese Elemente jedoch nicht auf mich selbst anwenden. Wenn ich mir das vor Augen führe, fällt mir auf, dass ich keine Grundlage dafür habe, gegenüber Menschen, die wie ich nicht offensichtlich queer auftreten, irgendeinen Vorbehalt zu haben. Nicht zuletzt, da ich als bi-, pan-, whatever-„offen-für-intimen-Kontak-zu-Menschen-die-ich-toll-finde“-sexueller Mensch eben genau solch ein Bild selbst abgeben könnte.

    Du sprichst von einem anderen Verhalten von Angehörigen der Subkultur in queeren Räumen. Zu einem Teil kann ich dir da Recht geben. Persönlich verhalte ich mich anders, da ich mir willkommener vorkomme und mich dementsprechend besser ausleben kann und mit weniger Zurückhaltung zu kämpfen habe.

    Du schreibst auch folgendes:
    „Ich gehe davon aus, dass sich subkulturelle Räume von hegemonialen Räumen durch die Regeln, die in ihnen gelten, unterscheiden. Das sind meist Regeln, die in der Mehrheitsgesellschaft nicht durchgesetzt, eventuell noch nicht mal verstanden werden können.“
    Und ich glaube dass du damit etwas ganz anderes meinst, als ich im Satz zuvor beschrieben habe. Nämlich dass mehr Rücksicht genommen wird, dass in der breiten Gesellschaft dominant vorkommendes Verhalten, welches von den Menschen in der Subkultur als schädlich wahrgenommen wird, nicht ebenso dominant reproduziert wird. Eben um einen Raum zu schaffen, der sich einer erwünschten Gesellschaft annähert. Symbolträchtiges Verhalten, welches der noch vorherrschenden und schädlichen Gesellschaft entspricht wird argwönisch betrachtet. In diesem Beispiel könnte man versuchen, es auf das Küssen von zwei Menschen einzudampfen, die sowohl von den Angehörigen der queeren Subkultur in ihrem queeren Raum als auch von allen anderen Menschen der breiten Gesellschaft im Alltag als hetero gelesen werden könnten.

    Die Reduktion auf eben diesen Aspekt ist jedoch genau das, was du versuchst nicht zu tun, wenn ich dich richtig verstehe. Du versuchst dich auf weitere Aspekte zu stützen, die du als Standard im Verhaltensrepertoir von Angehörigen der queeren Subkultur verstehst, welche jedoch oft bei Menschen und Gruppen die dir übel aufstoßen, fehlen. Und vielleicht kannst du das in den Situationen wirklich einschätzen und umsetzen. Ich wünsche dir, dass du es kannst. Denn ich kann es nicht, und was du da beschreibst („[…]Verhaltenscodes produziert, die ich lesen kann, wenn ich mir die Mühe mache, sie zu lernen.“) ähnelt in meinen Augen Superheld_innen-Fähigkeiten.

    Vielleicht bin ich zu ungeübt, habe zu wenig verinnerlich und gelernt. Aber wenn ich Leute sehe die sich meiner Meinung nach ziemlich mies verhalten, dann kann ich vor allem diesem Satz von dir Recht geben:
    „Und ob diese Leute von Aussehen her als cis_heter@ durchgehen oder nicht, für mein Gefühl brechen sie in diesem Moment ebenso ungeschriebene Regeln und verhalten sich nicht so, wie ich es mir auf einer queeren Party wünschen würde.“

    Dem hier:
    „Meine Erfahrung ist, dass diejenigen, die als heter@ gelesen werden können und die sich queeren Räumen zugehörig fühlen, weil sie Alternativen zu heteronormativen Räumen bieten, sich nicht so wie oben beschrieben verhalten.“
    kann ich jedoch überhaupt nicht zustimmen, da es meiner Erfahrung nach viele im Detail unterschiedliche Motivationen gibt, queere Räume aufzusuchen, die es nicht ausschließen, dass selektiv heteronormatives Verhalten ausgelebt wird, welches von den Ausübenden als solches womöglich nichtmal registriert wird.
    Und diese Sätze:
    „Meine Erfahrung ist, dass das von mir kritisierte Verhalten immer wieder von einer ganz bestimmten Gruppe von Leuten kommt, die ich als hetero lese.“
    „Bei den Malen, an die ich mich erinnere, gehe ich davon aus, dass es sich dabei um Hetero-Paare oder -Gruppen gehandelt hat“
    kann ich demnach nicht nachvollziehen, da ich keinen plausiblen Zusammenhang sehe. Ja es ist möglich, sogar wahrscheinlich, da viele Heteros die queere Szene (noch) nicht wirklich raffen. Aber da ich die Alternativen für mich nicht ausschließen kann – Leute die sich warum auch immer nur teilweise mit queerer Subkultur identifizieren oder ihr eigenes Verhalten nicht wirklich checken – fände ich die Schlussfolgerung ob nun Hetero oder nicht für mich nicht gerechtfertigt.
    Ich fände es vermutlich sogar ziemlich irrelevant. Denn um deinen Satz, den ich weiter oben zitiert und zugestimmt habe, nochmal zu betonen. Egal ob cis_hetero oder nicht, wenn Leute sich scheiße verhalten, hab ich es lieber, wenn sie es sein lassen oder den Ort verlassen, da finde ich das evtl. dazu kommende vermeintliche hetero Geknutsche eher nebensächlich. Und wenn es nur um eben solches Geknutsche geht, habe ich persönlich keinen Maßstab, um zu entscheiden ob das Paar jetzt hetero oder auf ihre Weise queer ist. Bin meiner oben beschriebenen Unsicherheit, die daraus resultiert, also schlicht ausgeliefert, kann es jedoch auch nicht in mir finden, meine Gefühle über die dieses höchstwahrscheinlich queeren Paares auf einer queeren Veranstaltung zu stellen, welches sich schlicht näher kommen will. Damit habe ich mich abgefunden – mehr oder weniger, ich sehe jedoch keine Alternative.

    VIelleicht sind unsere communities aber auch echt unterschiedlich, das will ich nicht ausschließen.

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  9. John Dean

    Ich unterscheide bei unerwünschtem Hetenverhalten in Queerräumen in drei Kategorien:

    1. Kategorie: „Geht nicht.“

    Beispiel: Hetengeknutsche auf der Tanzfläche

    2. Kategorie: „Die Dosis macht das Gift.“

    Beispiel: Eine grölende und als Heter ™ gelesene Gruppe verhält sich etwas auffällig unangenehm. Da ist bei mir die Frage, inwieweit diese das „Raumklima“ prägen, indem sie z.B. als Gruppe in der Raummitte stehen, sich besonders aggressiv geben etc.

    Gegenbeispiel: Zwei mutmaßliche Heter ™, die als Bi-Paar oder als Hetenpaar gelesen werden könnten, fassen sich gerade freundschaftlich (oder unklar sexuell?) an, rufen sich über drei Meter hinweg etwas zu etc.

    Die vielleicht spannende Frage ist, wie hier der Toleranzrahmen läuft, bzw. wieviel „Hetenperformance“ ertragen werden sollte. Meine persönliche Meinung (und an der Stelle bin ich mir letztlich doch unsicher): Ziemlich viel. Im Gegensatz zum Klang derTheoriebegriffe halte ich „Hetenperfomance“ nämlich in erster Linie für die „Perfomance als Mensch“ und weniger für eine Form der aktiven Unterdrückung anderer, mithin für etwas, das eigentlich auch in einem offenen queeren Raum nicht als übergriffig/belästigend empfunden werden sollte, sondern als Ausdruck von okayem, freinen menschenlichen Verhalten.

    Das alles in offenen Queerräumen wegzuregulieren, halte ich für kontraproduktiv, auch wenn sich ein paar Leute genervt fühlen sollten. Sogar für ziemlich daneben, sorry. In geschlossenen Queerräumen ist das aber anders zu beurteilen, und da mag es in jedem einzelnen, geschlossenen Queerraum vielleicht auch ein separates Verhaltensregime geben. Ich akzeptiere, wenn einige queere Menschen derartige, rigide geregelte, geschlossene Räume benötigen. Kein Problem. Oft gibt es ja sogar Gründe dafür.

    Allerdings glaube ich, dass das dann mit – teils ebenfalls unerwünschten – negative Begleitfolgen verbunden sein kann. Generell: Je rígider ein Raum „gemanaged“ wird, um so unangenehmer (!) wird er oft sogar für diejenigen, welche eigentlich von diesem Management profitieren sollten. Unter Umständen bilden sich in der Folge weitere Regime, z. B. hinsichtlich der geduldeten Kleidercodes, oder hinsichttlich der geduldeten Mimik eines Menschen. „Zu freundlich“ oder gar „wie eine Hete ™“ in die Welt zu blicken, das kann dann schon ein Verstoß gegen das implizite Raum-Regime sein. In rigiden Räumen kann sich z.B. Bifeindlichkeit leichter entwickeln. Auch bilden sich Ausschlüsse gegen diejenigen, welche gerade ihre ersten Schritte auf Queerpfaden gehen, bzw. sich hier vorsichtig vortasten.

    Ist das wirklich gut und aus allgemeiner Queersicht wünschenswert? Es mag sogar vereinzelt (selten – und ob das diskutierenswert ist, ist auch noch mal eine Frage) sogar regelrecht hetenfeindliche Raum-Regimes in Subkulturen geben. Der Witz daran ist: Diese besonders rigiden Raum-Regime erzeugen auch Ausschlüsse für ziemlich viele diejenigen Menschen, die ja eigentlich davon profitieren sollten.

    Insofern plädiere ich hier eher für die „großzügigere Variante“. Das das aber nicht immer geht, bzw. nicht für alle funktioniert, sollte dabei auch klar sein. Mit anderen Worten, es bedarf vermutlich einer Mischung der unterschiedlichsten Räume und Raum-Regime. Ein „one size fits all“ existiert nicht…

    3. Kategorie: „Das ist alles okay!“

    Grundsätzlich wirkt es entspannend, wenn das Verhalten, das hier subsummiert wird, besonders breit, umfassend und vielfältig ist. Weil: Das schafft halt Freiheit, und zwar (das ist ein spannender Punkt!) nicht nur für die davon profitierenden Hegemonialsexuellen.

    Wie gesagt: Das gilt aber nur für offene Queerräume. Und grundsätzlich sollte ein offener Queerraum eben noch im Wesentlichen als Querraum – seitens der Queers – wahrgenommen werden. Das macht es zugleich schwierig.

    Zum Beispiel, wenn bestimmte Schwulenfeten (pardon an alle, die das Wort nicht mögen, mich selbst eingeschlossen…) so erfolgreich werden, dass sie sich in eine Art heterosexuelles Happening verwandeln. Wobei, und das finde ich persönlich verblüffend, manche meiner schwulen Bekannten/Freunde gerade (!) diese Athmophäre gut und sehr angenehm finden. Ist allerdings, und das gilt es halt zu bedenken, für den etwas größeren Teil dann aber problematisch, zumal sich dort dann auch nervige Hetero-Verhaltensweisen häufen, die in Richtung Junggesellenabschied gehen.

    Was aber auch nicht der Fall sein muss. Oft funktioniert es ja doch, und dann für alle. Was ja schön ist.

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