Dieser Text ist langsam überfällig, ich schlepp schon länger die Überlegungen dazu mit mir rum. Und außerdem verdient die Seite ja auch mal wieder was Neues.
Ich hatte in letzter Zeit relativ viel zu tun mit Kindern, die in alternativen/linken/queeren/gendersensiblen/etc. Zusammenhängen leben. In meinem Alltag begegnet mir das leider nicht so häufig, ich war aber dieses Jahr zuerst auf dem GenderCamp und im Sommer auf dem wer lebt mit wem?. Auf dem GenderCamp ist mir schon die letzten Jahre immer wieder aufgefallen, dass das Geschlecht von Kindern und dessen Re/Präsentation ein Thema sind, über dass sich die Leute, die im Alltag Verantwortung übernehmen, sehr sehr viele Gedanken machen können.
Ich schreibe hier Re/Präsentation von Geschlecht, tendiere aber eher zu Präsentation von Geschlecht, weil ich mich im Folgenden hauptsächlich auf sehr kleine Kinder beziehen werde, die möglicherweise noch nicht so viele Möglichkeiten haben, die eigene Repräsentation mitzubestimmen.
Und ich möchte hier erstmal von cis*-Kindern ausgehen, ich finde, dass die Diskussion zu trans*- oder inter*-Kindern andere Parameter beachten muss. Das wäre eher noch mal ein anderer Text, in dem die spezifischen Gewaltverhältnisse Beachtung finden sollten, die inter*- oder trans*-Kinder betreffen. Das heißt natürlich auch, dass ich *annehme*, es würde sich bei den von mir beschriebenen Kinder um cis*-Kinder handeln. Und dieser Problematik bin ich mir sehr bewusst.
Die Leute mit Verantwortung für Kinder, über die ich hier schreiben möchte, haben sich wahrscheinlich alle schon mal in der einen oder anderen Weise Gedanken zu Geschlecht als Konstruktion, Genderperformance und gesellschaftlicher Wahrnehmung von Gender/Geschlecht gemacht. Und zwar wahrscheinlich in einem Maße, dass es für sie nicht selbstverständlich, natürlich und schon immer so gewesen ist, dass Jungen blau und Mädchen rosa tragen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, mit einem bestimmten nicht-hegemonialen Wissen von der Welt Verantwortung für Kinder zu übernehmen. Das eigene Weltbild clasht ganz gewaltig mit dem, was „die Schule“, andere Kinder oder Erwachsene so für normal halten. Aufeinanderprallende Verständnisse von Welt fallen dann plötzlich zuhause ein und müssen auf einem Level ausgehandelt werden, das ich früher (ohne häufigen Kontakt zu Kindern) einfacher umgehen konnte. Insofern hoffe ich, es im Ansatz nachvollziehen zu können, was andere Leute erleben, wenn in ihrem Alltag ein Kind eine große Rolle spielt und das eigene Wissen sich doch vehement vom hegemonialen unterscheidet.
Jetzt aber mal langsam zum Thema: Nach all der Vorgeschichte und den Erläuterungen geht es mir hier um etwas, was ich jetzt schon mehrfach gesehen habe und was ich sehr problematisch finde:
Wenn Menschen ihr Wissen, dass Geschlecht eine Konstruktion ist, von Kindern tragen lassen.
Genauer: Auf dem wlmw hatte ich einen positiv_negativen Moment der normativen Verwirrung.
Ich hatte schon ein paar Mal ein sehr junges Kind gesehen, welches ich als weiblich eingeordnet hatte. Das hatte ich getan, weil das Kind ein paar stark gegenderte Attribute trug: Lange Haare mit Zopf, Haarspangen, Armbänder, Halskette und Kleidchen (glaube ich, ich kann nicht mehr jedes Detail erinnern).
Als es dann wärmer wurde, musste ich erkennen, dass ich vorschnell eingeordnet hatte und dieses Kind wahrscheinlich bei der Geburt als männlich eingeordnet worden ist.
Da bin ich also seit Jahren glücklich queer und trans*, vermute mich als kritisch, hinterfragend und so weiter und dann kommt eine Person mit Zopf und ich weiß sofort: Mädchen. Nun ja. Lektion gelernt: Offensichtlich muss ich in Zukunft dringend versuchen, noch vorsichtiger mit geschlechtlichen Zuschreibungen umzugehen.
Die Situation hat für mich aber auch noch eine ganz andere schwierige Dimension wiederholt, die ich auch auf dem Camp schon in für mich sehr produktiver Weise im Zweiergespräch diskutieren konnte mit einer Person, der es ähnlich ging wie mir. Danke! An dieser Stelle.
Ich finde es nämlich sehr problematisch, wenn Kinder, die vor allem noch nicht selbst und für sich sprechen können, so stark gegendert cross-gedresst werden (oh, interessante Anglizismen…).
Generell finde ich es nicht so schön, dass Kinder von Erwachsenen stark gegendert werden, da ist es mir erstmal egal, ob die Art der Accessoires dem zugewiesenen Geburtsgeschlecht entsprechen oder nicht (und ich spreche hier von einem *starken* Gendern). Kinder auf eine besonders gegenderte Weise anzuziehen, halte ich persönlich für fremdbestimmtes Gendern und das finde ich übergriffig und das eigene gegenderte Werden verletzend. (Wie andere Sachen auch, so was wie „ein Junge darf nicht“ oder „Mädchen sollten“.) Es gibt Möglichkeiten, Kinder so anzuziehen, dass einer_m das angebliche Geschlecht nicht sofort in die Augen springt.
Was ich auch sehe ist, dass die mich umgebende Gesellschaft da häufig sehr strikte Vorstellungen hat, was Geschlecht und die Verkleidung desselben angeht. Und ich weiß gut, dass Abweichung sehr schlimm sanktioniert werden kann. Es ist also unter Umständen eine sinnvolle Überlegung, ob ein kleines Kind wirklich am eigenen Leib Utopien tragen muss, die ihre_seine Umwelt längst noch nicht verstanden hat.
Die oben beschriebene Situation ist herausragend, ich habe aber schon einige abgemilderte ähnliche Situationen erlebt, in denen Kinder von für sie verantwortlichen Erwachsenen *bewusst* entgegen dem Geburtsgeschlecht angezogen oder geschmückt wurden. Alle Kinder, bei denen ich das beobachtet habe, waren noch sehr klein, so dass die Erwachsenen vermutlich die alleinige Kontrolle über den Kleiderschrank hatten. Die Erwachsenen habe ich alle wahrgenommen als die oben beschriebenen, die sich schon viele Gedanken über Geschlecht/Gender gemacht haben und sich vermutlich als progressiv einschätzen/bezeichnen würden.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Kinder dabei die Träger_Innen der Utopien der Erwachsenen sind. Sie hatten aber bisher weder die Chance, sich etwas aus dem breiten Gender-Angebotsspektrum auszusuchen, noch sich mit eventuellen Utopien rund um Geschlechtlichkeit, Gender und Repräsentationspolitiken gleichberechtigt auf einem für sie passenden Level zu beschäftigen.
Ich halte es für sehr fragwürdig, wenn ein Kind so angezogen wird, dass es von seiner normativen Umwelt (die ja offensichtlich mich mit einschließt), beständig entgegen seines zugewiesenen Geburtsgeschlechts gelesen und/oder angesprochen wird. Wie gesagt – ich finde diese super-geschlechtseindeutige Aufmachung sowieso schwierig, auch wenn die Kleidung vermeintlich zum zugewiesenen Geburtsgeschlecht passt.
Hier wird ein Kind aber bewusst in die Rolle des Anderen/Abweichenden/Queeren gesteckt. Und das, ohne dass sich das Kind die Position großartig selbst aussuchen konnte.
Ebenfalls weiß ich nicht, ob diejenigen, die für das Kind verantwortlich sind, trans*/inter*/queere Empowerment-Arbeit mit ihrem Kind machen oder Kontakt zu Trans*, Inter* oder queeren Menschen herstellen, so dass das Kind in einer Weise mit den Anrufungen durch die Umwelt umgehen kann, aus der es möglichst stark hervorgeht.
Und an der Stelle halte ich es tatsächlich für sehr schwierig (und komplex), dass die Menschen, die ich bisher als ihr Kind cross-dressende wahrgenommen habe, alle (nach meiner Wahrnehmung, aber klar, siehe oben) cis* und in eher Hetero-Zusammenhängen lebend waren.
Normative Ansichten zu Geschlecht sind ja leider immer noch ziemlich stark und gewalttätig. Ich befürchte, dass Kinder, die entgegen dem ihnen zugewiesenen Geschlecht gekleidet werden, relativ schutzlos heterosexistischen Strukturen ausgeliefert werden, ohne gleichzeitig das nötige queere/trans*/inter* Wissen zu bekommen, das sie aber dann dringend bräuchten.
Und ich bezweifle auch ernsthaft, dass Kinder, die auf eine Art und Weise angezogen werden, die sie immer wieder aus der Normalität fallen lässt, ohne dass sie sich selbst für das Fallen entscheiden konnten, dies auf die Dauer als positiv empfinden (klar, ich weiß natürlich nicht, was wer empfindet). Ich habe eher Angst, dass hier im Namen von trans*/inter*/queer und den Utopien, die sich daraus entwickeln können, etwas ziemlich schief hängt und Kinder als Zeichen der Nicht-Normativität ihrer Erwachsenen benutzt werden.
Also vielleicht: Kritische Cis*-Reflexion für gendersensible/linke/alternative Menschen, die Verantwortung für junge Kinder haben.
Danke für den schönen Artikel, er bringt vieles zu Worten, was mir in letzter Zeit durch den Kopf ging.
Danke! 🙂
Mir geht das Thema schon seit längerer Zeit durch den Kopf, es brauchte etwas, um ausformuliert zu werden.
Ich habe Deinen Post gern und mit Freude gelesen und Du hast in vielen Punkten absolut recht. Die Annahme allerdings, Kinder könnten zu klein sein, um dem Wunsch nach Ketten, Spangen, bestimmten Kleidungsstücken Ausdruck zu verleihen, teile ich gar nicht. Ich hatte mit meinen Kindern schon deutlich unter 24 Monate heftige „Kämpfe“ um geliebte/ungeliebte Kleidung.
Kleidung bedeutet machmal einfach nur ein Hautgefühl, eine Besonderheit oder eine Farbe – die Form (Rock/Kleid/Hose) ist dabei Nebensache. Elter sein bedeutet für mich auch jeden Tag die (Ver)Kleidungswünsche meiner Kinder auf Realtauglichkeit zu prüfen: Wetter, *angemessen* für Schule/Kindergarten, schnell an- und auszuziehen beim Schwimmen/Turnen, Belastbarkeit (Spitzenkleid im Wald) und dann zu *erlauben* oder mehr oder weniger geduldig Alternativen vorzuschlagen…
Geschütze Rahmen bieten elter einfach mal die Möglichkeit auf einige dieser Punkte zu verzichten und die Kindlein das tragen zu lassen, was sie wollen. Krampfhaftes crossdressing halte ich für nicht besonders gefährlich, weil die Kinder elter recht schnell zeigen, was sie möchten und was nicht. Das können bestimmt alle bestätigen, die schon mal versucht haben, einem Kind + 6 Monate gegen dessen Wunsch eine Mütze/Hut/Kappe gegen Sonne/Regen/Wind aufzusetzten.
Hallo Flo,
Du hast Recht – ich habe keine Ahnung, wann sich was für ein Kind richtig anfühlt und deshalb auch verlangt wird.
Also: Danke für Deine Ergänzung!
Danke für den Artikel!
Ich sehe vieles sehr ähnlich. Die Kleiderfrage ist wahrscheinlich einer der offensichtlichsten doing-gender-Momente (nicht nur) im Elter-Kind-Alltag.
Du hast richtig beobachtet, dass Eltern da oftmals viel zuviel an Zuschreibungen vornehmen.
Auch die Ergänzungen von Flo, kann ich im Alltag mit einem 3 1/2-jährigem Kind _absolut_ nachvollziehen und nachempfinden. Oftmals sind da auch andere Kinder mehr Vorbild als die Eltern: „ich will auch so’n Foo-Kleidunsstück wie Bar haben“. Auch bei dem 1 1/2-jährigem Geschwisterchen zeichnen sich schon Nachahmungstendenzen ab (z.B. Kleidung gezielt aus der Geschwiser-Schublade ziehen).
Ein weiterer hier fehlender Punkt ist imho der Einfluss der weiteren Umwelt. Abgesehen von einigen alternativen Bubbles sehe ich nämlich eines ganz und gar nicht gegeben:
Es ist wirklich _kaum_ ohne großen Aufwand _oder_ viel Geld möglich Kindern Klamotten zu kaufen, die nicht in Blau-Rosa-Schema angepriesen werden. Da bin ich ehrlich gesagt sehr froh, wenn sich unsere Tochter* auch mal für einen Bob-The-Builder-Pulli entscheidet. (Oder vor dem Zeitpunkt zu dem sie mitentscheiden wollte/konnte Klamotten aus der „Jungsabteilung“ gekauft bekommen hat (von mir, Partnerin oder Dritte_n).
Und die Dritten sind auch ein Problem: es hilft ein bisschen vor der Geburt nicht das festzustellende Geschlecht zu wissen oder zu verraten, aber spätestens irgendwann nach der Geburt kommt ein Zeitpunkt zu dem Klamotten auch geschenkt werden. Und zumindest bei uns waren das (sowohl gebraucht, als auch) neu) oft sehr vergeschlechlichte Kleidungsstücke. Und natürlich haben wir auch mal das eine oder andere „zu krasse“ in der Schublade verrotten lassen oder weiter verkauft. Aber auch nur, weil wir das ökonomische Privileg haben uns so einen Luxus leisten zu können.
Es gibt natürlich auch immer mal wieder schöne Sachen, bei denen nicht sofort die Geschlechtszuordnung ins Auge springt. Aber das sind in meiner Erfahrung überwiegend rare Flomarktfünde (viel Zeit und Sucharbeit) oder teure Bio- oder Designerprodukte (viel Geld).
Ich bin super dankbar für Anregungen, wie es in der Reproduktionsarbeistpraxis anders machbar ist, aber in der Welt, wie sie ist, Kinder nicht als Junge oder Mädchen zu verkleiden ist wirklich keine einfache Sache. Vom Willen der Kinder einmal ganz abgesehen.
Hallo Henning,
danke für den langen Kommentar.
Aber: Er geht am Thema vorbei.
Mir geht es hier um Elter_n, die aus in Bezug auf Gender, Sexualität und/oder Gender-Passingprivilegien privilegierter Position (häufig, meiner Wahrnehmung nach) ihre Kinder stark crossgendern.
Das ist was anderes als ‚mein Kind zieht sich das oder das aus dem Schrank und eckt damit an oder auch nicht‘, darum geht es mir nicht.
Und mir geht es auch nicht um den Einfluss Dritter oder der Umwelt, das fehlt nicht in diesem Post, sondern ist ein anderes Thema.
Und was ich auch noch mal betonen möchte: Ich habe nichts dagegen, wenn Kinder feminin oder maskulin wahrgenommene Kleidung/Schmuck/Accessoires tragen.
Okay. Dann habe ich die von mir zitierte Passage falls verstanden.
Auch mit:
dachte ich, dass du deinen Text nicht nur auf „cross-gegenderte“ Kinder beziehst. … Ich finde das nämlich auch einen wichtigen Punkt.
Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Glückliche Feminist_inn_en im Glitzerkleid – die Blogschau
Wir bei Pinkstinks Germany fragen uns oft, ob wir wollen, dass Jungs dasselbe pinke […]zeug tragen wie Mädchen. Ob irgendwem dabei geholfen wäre. Und, da es weiterhin weiblich und verniedlichend konnotiert bleibt, tut es das unserer Meinung nach nicht. Trotzdem ist es ebenso „eingreifend“, ein weibliches oder männliches Kind nach aktueller Mode zu gendern, wie ein Kind cross-zu-gendern. Da ich auch glaube, dass Kinder schon früh (wenn sie schon Zopf tragen, dann schon sicher!) ein Gefühl dafür haben, was sie wollen und was nicht, finde ich es gerade bewundernswert, wenn Eltern einem Jungen erlauben, das (moderate) Kleid anzuziehen, dass er so gerne möchte (Schminke, Prinessinnenkleid und Nagellack muss meiner Meinung nach auch für Mädchen nicht sein). Mehr dazu findet ihr bei http://www.pinkstinks.de! Be welcome!
Hallo Stevie,
zuerst: Danke für den Kommentar. Es hat etwas gedauert, bis ich ihn freigeschaltet habe und ich hab ihn auch zensiert, dazu unten mehr.
Natürlich ist es immer „eingreifend“, einem Kind Klamotten auszusuchen, da kommen die Verantwortlichen ja nicht drum rum, so lange das Kind nicht alle seine Klamotten selbst aussuchen kann (und auch da spielen dann ja noch verschiedene Faktoren mit rein, ökonomische z.B.).
Aber: Im Text da oben geht es mir explizit ums extreme Crossdressen in bestimmten Szenen. Ich möchte hier nicht diskutieren, wie es allgemein mit Kleidung bei Kindern und Gender ist, weil das hier nicht das Thema sein soll. Das ist sicherlich interessant für einen anderen Beitrag. Aber oben ging es eben nicht darum.
Genauso der nächste Punkt: Es geht mir nicht darum, was passiert, wenn sich ein Junge ein Kleid aussucht. Bitte lies ansonsten den Text noch mal.
Ein paar Worte dazu, warum ich den Beitrag zensiert habe.
Ich habe bei dem Kommentar definitiv Bauchschmerzen gehabt. Femininitätsfeindlichkeit und/oder Fem/me-Bashing möchte ich auf meinem Blog nicht dulden. Es ist gesellschaftlich sehr anerkannt, feminine Frauen* mit auf Femininität abzielenden Ausdrücken zu beleidigen und abzuwerten, das habe ich selbst so gelernt. Ich möchte hier aber nicht bashen, sondern erkläre mich lieber mit denjenigen solidarisch, die sich Femininitätsbezeichnungen als (teilweise hart erkämpfte) positive Selbstbezeichnungen aneignen.
Die Frage, mit was Kleidung und andere Accessoires (in Deinem Fall – und wieder: nicht in meinem obigen Blogpost – pinke Prinzessinnenkleider etc.) in einer Gesellschaft belegt werden und wie sich das Tragen auf die Träger_innen und deren Subjektivitäten auswirkt, ist eine wichtige Frage, da stimme ich Dir vollkommen zu. Und ich stimme auch zu, dass weiblich konnotierte Kleidung häufig eine gesellschaftliche Geschichte aufweist, die eher auf einen Objektstatus und auf relative Unfreiheit hinweist als auf Privilegien.
Aber: Hier geht es um Diskurse, um Bedeutungen, die sich lange entwickelt haben und sich auch nicht einfach schnell ändern. Ich fände es entsprechend produktiv, genau und differenziert auf Kleidung, Geschlecht und Subjektivität einzugehen. Schwierig finde ich es an dieser Stelle, das Problem stark vereinfacht auszudrücken und an den Körpern abzuhandeln, die gerade Pink tragen.
Ich finde den Beitrag wichtig, den pinkstinks leisten möchte, insbesondere mit dem Fokus auf die extrem vereinheitlichende und subjektivierende geschlechterspezifische Werbung.
Ich würde mich freuen, wenn pinkstinks die hier formulierten Bedenken in das politische Handeln einfließen lassen und zwischen den verschiedenen Ebenen von Pink mehr differenzieren würde.
Ich denke, wir sind doch immerhin schon so weit, dass heutzutage auch die meisten Frauen und Mädchen hauptsächlich Hosen tragen. Hosen sind also relativ neutral, solange sie nicht rosa mit Blümchenmuster sind.
Einen kleinen Jungen dann aber in ein Kleid zu stecken in einem Alter, in dem er sich das unmöglich selbst ausgesucht haben kann, hat doch wirklich was arg zwanghaftes. Ein Eltern-Äquivalent zum pubertären „Seht mich an, ich bin so cool“. Man kann ja gerne demonstrieren, wie höllisch nonkonformistisch man ist, aber muss man dazu unbedingt seine Kinder mit einspannen? Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies für die Entwicklung des Kindes so gesund ist. Vor allem, wenn es dann älter wird und langsam begreift, dass es vom gesellschaftlichen Standpunkt her „falsch“ gekleidet ist. Ich glaube, spätestens dann gibt es heftige Kämpfe zwischen Eltern und Sohn, der sich plötzlich mit Händen und Füßen gegen Haarspangen und pinkes Sommerkleid wehrt.
Ich sag nicht, dass das gut ist. Ich denke nur, dass Kleinkinder einfach ein bisschen zu klein dafür sind, in solch brisanten Themen Stellung zu beziehen und man nicht von ihnen erwarten kann, Hänseleien im Kindergarten etc.pp. stoisch über sich ergehen zu lassen.
Wenn man sich als Eltern nicht in die Hellblau-Rosa-Ecke drängen lassen will, gibts ne ganz einfache Lösung: Grün und Gelb. Problem gelöst. Und süß aussehen tuts auch.
Hallo Robin Urban,
danke für den Kommentar.
Ich denke, es ist wichtig zu sehen, dass Hosen historisch männlich konnotiert sind und dass es nicht ohne Grund hauptsächlich die männlich konnotierte Kleidung ist, die für alle Gender tragbar ist/wird. Weiblich konnotierte Kleidung bleibt damit eine Ausnahme und ist damit vor allem geeignet, diverse Zuschreibungen zu bekommen, häufig ja negative.
Ausnahmen gibt es ja schon – es gibt immer die Grenzen zwischen der für alle tragbaren historisch männlich konnotierten Kleidung (einfach mal so Hosen) und der Kleidung, mit der Frauen* (oder die, die so gelesen werden) Sanktionen erwarten können (Anzüge zum Beispiel).
Ich würde Dir zustimmen, wenn Du sagst, dass das Kleiden von Kindern vor allem was mit dem Selbstbild der Verantwortlichen zu tun hat. Und ja – ich finde es zweifelhaft, wenn die Utopien, die eine_r selbst vielleicht noch nicht schafft, umzusetzen, dann vom Kind getragen werden sollen.
Ich weiß nicht, ob ich Dich richtig gelesen habe, deshalb möchte ich hier noch mal klarstellen: Ich halte Crossdressen an sich nicht für brisant und auch nicht an sich für ein schwieriges Thema, auch nicht bei Kindern.
Aber Du sprichst das selbst an: Mir wäre vor allem wichtig, dass die Kinder, die entgegen gesellschaftlicher Normen gekleidet werden (oder allgemein eher mit Wissen aufwachsen, dass nicht der hegemonialen Meinung entspricht), genug an die Hand bekommen, um zu sich stehen zu können und um einschätzen zu können, wann sie mit welchem Wissen oder mit welchen Weltbildern konfrontiert sind. Also so was wie: Was geht wo und wo könnten bestimmte Themen problematisch werden, die z.B. Zuhause ganz anders gehandhabt werden. Empowerment für die Kinder also. 🙂
hallo, ich fand den artikel interessant zu lesen und auch die kommentare. ich bin nun nicht ganz sicher, ob ich es richtig verstanden habe, wenn ich mir erlaube noch folgende frage zu stellen. im letzten abschnitt schreibst du, du fändest es gut „neutrale“ kleidung zu wählen. ich würde dem zunächst zustimmen, allerdings befinde ich mich auch grad in der situation über die kleidung von jungen menshcen nachdenken zu „müssen“ und mir fällt immer häufiger auf, wirklich „neutral“ ist da nichts. wie du richtig bemerkst, sind hosen eher „männlich“ konnotiert. tatsächlich handelt es sich bei dem kind in meiner umgebung auch um einen „jungen“ und wenn ich mal etwas finde, was ohne prinzessin/pirat (oder entsprechendes) ist, dann ist es meist aus der jungsabteilung. ich befürchte selbst farben ausserhalb der blau/rosa binarität sind immer schon irgendwie zugeteilt, so dass es eigentlich keine wirkliche möglichkeit gibt, eine „wirklich neutrale“ kleidung zu finden, wahrscheinlich nicht einmal wenn ich selbst nähe. das empfinde ich einerseits als dilemma und andererseits frage ich mich dann, sind es nicht eigentlich eher die erwachsenen, die aus der kleidung ein problem machen (ich nehme an, du würdest mir in diesem punkt zustimmen) und welche strategien gibt es also (unabhängig von der kleiderwahl) um hier ein umdenken zu ermöglichen? ist es in diesem zusammenhang nicht vielleicht sogar sinnvoll die kinder zu „crossdressen“ um eben solche momente wie von dir erzählt zu ermöglichen? bei dem gedanken daran wird mir auch anders, weil ich es ablehne, kinder als objekte von politischen kämpfen zu benutzen, aber andererseits geschieht dies ohnehin, wenn wir davon ausgehen, dass es eine neutrale kleidung doch nicht geben kann und ein „genderkonformes“ kleiden ja ebenfalls eine politische positionierung bedeutet, wenn auch die in diesem falle normierte, unmarkierte. es würde mich freuen, wenn du oder auch andere schreiben, was sie dazu denken. ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt und freue mich über meinungen 🙂
Ahoi m.,
willkommen und danke für den Kommentar! 🙂
Ich geh noch mal etwas genauer auf die „neutrale“ Kleidung ein. Ich hab im Post von Kleidung geschrieben, bei der das angebliche Geschlecht nicht sofort ins Auge springt, später dann von den historisch männlich konnotierten Hosen. Das ist in sich unschlüssig und genau da würde ich es gerne auch widersprüchlich stehen lassen, ohne für mich auf eine „gute“ Lösung zu kommen.
Ich stimme Dir zu und gehe nicht davon aus, dass es neutrale Kleidung gibt, dafür gibt es zu viel_e Geschichte_n, Diskurse, Sozialisationen und Perspektiven. Insofern war meine Anmerkung mit der Kleidung, die nicht sofort das Geschlecht offenbart, nicht so gut ausgedrückt. Ich hatte an der Stelle nach einer Formulierung gesucht, die sich abgrenzen kann von den stark gegenderten Klamotten, über die ich ja oben schrieb.
Ich würde Deine Überlegung, dass es die Erwachsenen sind, die Kleidung problematisieren, gerne noch etwas erweitern (wie im Absatz davor schon anklingt). Ich gehe davon aus, dass wir uns in Diskursen bewegen und es immer mit allgemein verständlicheren und nicht so verständlichen Auffassungen von Welt zu tun haben, in die wir reinsozialisiert werden. Insofern haben die Erwachsenen das Problem mit der Kleidung nicht nur für sich allein, sondern gesellschaftlich gestützt. Das trifft sich vermutlich auch mit dem, was Du sagst.
Und an der Stelle ist es mir wichtig, mit dem Umdenken, Dekonstruieren und/oder Unterlaufen bei sich selbst anzufangen und nicht bei einem Kind, welches in seiner Kleiderwahl (häufig) sehr fremdbestimmt ist. Ich finde es super, Kindern – soweit das möglich ist – es selbst zu überlassen, sich etwas anzueignen oder etwas abzulehnen.
Danke für den Gedankenanstoß! Ich finde die Bemerkung zur Politik der unmarkierten normierten Position sehr wichtig!
Ich merke, dass ich da gedanklich noch sehr auf dem Schlauch stehe und momentan nur Folgendes zu fassen bekomme:
Ich würde weiterhin bei der unmarkierten Position bleiben und diese behelfsmäßig als das nehmen, was einer „Neutralität“ in meinen Augen nahe kommt.
Das wäre mir wichtig, weil ich es für ein Kind in meinem Lebensumfeld immer noch schöner finde, wenn es sich (da wo es geht, das ist ja auch nicht bei allem so) selbst entscheiden kann, wann es von einer Idee von Heteronormativität abweichen möchte. Zusätzlich befinde ich mich ja sowieso im Gespräch mit dem Kind über gesellschaftliche Rollen und Vorschriften in Bezug auf Geschlecht.
Ich würde mir selbst bewusst machen, inwiefern meine „Neutralität“ geprägt ist von meiner Zugehörigkeit zu differenten gesellschaftlichen Orten, insbesondere, wenn die vermeintliche Neutralität eine Schicht- oder Kulturspezifische ist. Auch darüber kann ich aber ja mit dem Kind kommunizieren.
Ich würde weiterhin darauf achten, möglichst wenig Grenzen zu ziehen und eine prinzipielle Offenheit zu geben, damit ein Kind, auf dessen Kleidungsstil ich Einfluss nehme, möglichst wenig von mir unterschwellig oder offensichtlich sanktioniert wird.
Alles eher erst Mal aus der Hüfte und nicht großartig durchdacht, aber vielleicht reicht es ja schon als Diskussionsanstoß?
Bezieht sich das nur auf Kleidung oder auch auf zb Haare? In dem Fall hätte ich auch noch was beizutragen, ein Beispiel aus der Praxis sozusagen. Mein Sohn hat im Alter von etwa 3 oder 4 Jahren beschlossen, eine Frau werden zu wollen. Ich bin keine Queer- oder sonst Gender-Aktivistin (allerdings Feministin), das hat damit also sicherlich nichts zu tun. In seiner Vorstellung in dem Alter definierte sich ‚Frau‘ über lange Haare (ich habe selber lange Haare), also beschloss er seine Haare wachsen lassen zu wollen. In den nächsten beiden Jahren hat er sich sich ab und zu morgens entschieden, an diesem Tag Mädchen sein zu wollen – ein bewusste entsprechende Entscheidung, mal Junge sein zu wollen, gab es nicht.
An Mädchen-Tagen sollten die Haare eher ‚mädchenhaft‘ frisiert werden, also etwa zwei Zöpfe rechts und links, manchmal geflochten. An Jungs-Tagen meist Pferdeschwanz – die Haare sind mit der Zeit ziemlich lang geworden. An Mädchentagen ging er konsequent etwa auch aufs Mädchen-(Frauen-)Klo. Die ‚Mädchentage‘ wie überhaupt der Wunsch, eine Frau werden zu wollen, waren etwa mit Beginn der Schulzeit vorbei. Er ist jetzt 10, ein Junge und es findet für ihn keinerlei Auseinandersetzung mit (seinem) Gender mehr statt.
Gleichzeitig ist es so, dass er, seiner weiterhin sehr langen, blonden und lockigen Haare wegen immer als Mädchen wahrgenommen wird. In den vergangenen 6-7 Jahren gab es keine 5 Begegnungen mit fremden Menschen, bei denen das anders gewesen wäre, darunter nur ein oder zwei Erwachsene. Auch sämtlichen Leuten, die sich mehr oder weniger viel und aktiv mit Geschlechterrollen oder Gender-Theorie/-Praxis auseinandersetzen, ging das so. Obwohl er ansonsten eher typisch jungenhaft aussieht: blau-braun-grüne Kleidung (s.o., geschlechtsneutrale Kleidung ist sehr teuer und Glitzer oder Pferdemotive mochte er nicht), insgesamt nicht übermäßig ordentlich.
Ich glaube nicht, dass seine Entscheidungen mit Beeinflussung durch Bezugspersonen zu tun hatte. Ich fand eher unangenehm, unterstellt zu bekommen, ich würde ihn ’so als Mädchen herrichten‘, als er noch kleiner war und etwa die Zopffrisuren wollte. Aufgeschrieben habe ich das, um zu beschreiben, dass auch ziemlich kleine Kinder auf ihre Weise Wünsche zu und Auseinandersetzungen mit Geschlechterrollen haben (können). Völlig anders als Erwachsene, aber auf jeden Fall mit klaren Vorstellungen und Wünschen.
Ich teile deine Meinung, dass es den Kindern selbst überlassen bleiben sollte, wie und wieviel sie sich mit sowas auseinandersetzen. Aber es sind nicht immer die Erwachsenen, die ‚daran schuld‘ sind.
Eigentlich sympathisiere ich auch mit dem vermeintlich neutralen Ansatz. Wobei da nun das Problem ist, wie oben ja auch schon angesprochen, dass neutral eigentlich eher männlich konnotiert heißt (z.B. Hosen in nicht zu „auffälligen“ Farben o.ä.). Ein Mädchen, das „neutral“ angezogen ist, wird also möglicherweise erstmal für einen Jungen gehalten, auch wenn das vielleicht so gar nicht beabsichtigt ist. Diese Erfahrung habe ich zumindest mit dem Kind (1,5 Jahre alt) gemacht, mit dem ich zusammen wohne. Und obwohl mir eigentlich jedesmal unwohl ist, wenn die Eltern das Kind „eindeutig mädchenspezifisch“ (Kleid o.ä.) anziehen (ich finde es fast schon beunruhigend, welche unterschiedliche Wirkung die jeweilige Kleidung des Kindes – das ja immer dasselbe ist! – auf mich hat), denke ich mittlerweile, dass es gut ist, die Kleidung möglichst zu variieren (zumindest so lange das Kind es nicht anders will). Also wenn das Kind die Erfahrung machen kann, einerseits als Mädchen wahrgenommen zu werden und andererseits als Junge (für ein Mädchen ist das sicherlicher einfacher, das heißt weniger normverletzend, umsetzbar als für einen Jungen). „Weder noch“ wäre meiner Meinung die beste Variante, aber da lässt sich die Umwelt (ich nehme mich da nicht aus) ja nur sehr schwer drauf ein.
Zu dem von dir beschriebenen Beispiel ist mir deshalb auch eingefallen: Möglicherweise war das starke Crossdressing des Kindes ja nur *eine* Variante seiner täglichen Kleidung. Würde das für dich einen Unterschied machen?
Ich bin spät dran, aber ich mag meine Frage dennoch auf den Weg geben:
Die starke Crossdressing-Situation, die du beschrieben hast, kann ich mir gut vorstellen. Wofür mir die Fantasie und die Bilder fehlen, ist, wie ein umgekehrtes Crossdressing bei Kindern aussähe, ob es überhaupt möglich ist. Ich vermute, dass auch stark männlich konnotierte Kleidung von Mädchen getragen häufig als „neutral“ wahrgenommen werden würde, dass es nicht so viele Accesoires gibt (welche?), mit denen man ein Kind „männlich“ „schmücken“ könnte. Mir fallen da für Erwachsene am Ehesten Bärte ein, und da weiß ich nicht, ob ein Mädchen mit Bart der von dir beschrieben Crossdressing-Situation entspräche oder so krass wäre, dass es da wieder rausfiele.
Auch wenn ich an Babies denke, die ja nicht selbstbestimmt ihre Kleidung wählen können: mir fallen so viele Möglichkeiten ein, wie man Babies sehr stark weiblich kleiden kann, mit Haarschmuck, mit Kleidchen, Rüschen, Glitzer, Ketten oder so abgefahrenen Sachen wie Baby-High-Heels. Aber mit welchen Dingen müsste ein Babymädchen ausgestattet sein, um crossgedresst (this word…) auszusehen? Viel Grübeln bringt mich zu stark mit Maskulinität besetztem Werkzeug oder Waffen/Waffenimitationen, die man einem Baby in die Hand drücken/in die Wiege legen kann, aber Kleidung?
Ich vermute gerade, dass meine Frage nicht viel mit dem Thema deines Textes zu tun hat, davon ablenken könnte, aber sie fiel mir ein, als ich den Text und die Kommentare las und ins Denken geriet. Deshalb würde ich sie gerne hier in diesen/diesem Kon_text stellen, auch wenn sie unbeantwortet bleibt. Das Schreiben macht, dass ich im Denken bleibe.