Musste ich gerade drüber nachdenken. (Muss ich manchmal.) Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Person, die mich gut und lange kennt und weiß, welches Pronomen ich so mag (er_ auf deutsch, he oder they auf englisch; und ja: Uneindeutiges Gender und eindeutiges Pronomen passen wunderbar zusammen, denn Pronomen müssen nicht eindeutig sein). Und sie war verwundert, weil ich irgendwo auf der Straße als Frau angesprochen worden war, wir uns kurz drüber unterhalten und ich gesagt hatte, dass mir das ziemlich häufig passiert.
Das scheint so zu sein: Leute, die mich lange kennen, haben ein Bild von mir im Kopf, und auf diesem Bild passe ich. Das heißt wohl, dass ich im engeren Freund_innenkreis passe, die meiste Zeit. (Kein Wunder, warum ich mich im Freund_innenkreis wohl fühle.)
Und in der Öffentlichkeit oder mit Leuten, die ich nicht so gut kenne, passe ich halt nicht. Oder nur manchmal. Oder mal so und mal so. (Da kommen ja auch noch die Räume dazu, in denen ich immer wieder sage, dass ich *dieses* Pronomen möchte und immer wieder kriegen die Leute es nicht hin. Aber das ist vielleicht doch ein etwas anderes Thema.)
(Und dann kommt noch diese Merkwürdigkeit dazu, dass andere Trans*leute mir manchmal sagen, ich hätte Passing-Privileg. Oder es wird davon ausgegangen, dass ich passe, weil ich die und die OP gemacht habe oder Hormone nehme. Ich passe trotzdem nicht. Ich sage in solchen Diskussionen meist nichts, weil ich nicht genau weiß, was ich sagen soll. Wahrscheinlich wäre es sehr sinnvoll, mehr zu differenzieren: Nicht vom täglichen Passen auszugehen, sondern vom situativen. Es gibt Situationen, in denen ich Passing-Privilegien bemerke, und wie! Aber das sind eben Situationen.)
Gefühlt werde ich häufiger als Frau wahrgenommen, seltener als Mann und sehr selten werde ich gefragt, ob ich eigentlich männlich oder weiblich bin.
(Naja, nach meiner Passing-Definition passe ich eigentlich immer, manchmal als Mann, manchmal als Frau, sehr selten so, wie ich mich fühle, also weder als Mann, noch als Frau… Mag sein, dass meine Definition von Passing da auch irgendwie schief hängt.)
Das Verhältnis verschiebt sich mal so, mal so, das liegt an meiner Stimmung, meiner Kleidung, meiner Frisur, den Leuten, mit denen ich unterwegs bin, dem Ort, an dem ich mich aufhalte, den Dingen, die ich mache oder lese oder kaufe. Ist also auch ziemlich außerhalb meiner Kontrolle.
Makes me think.
Denn eigentlich steht in diesem Passing-Verhältnis doch genau das, was ich möchte: Eben nicht passen, nicht männlich oder weiblich sein. (Für mich ist das trans* oder auch genderqueer, ich weiß, dass andere das non-binary oder nb nennen, das sind irgendwie nicht meine Konzepte geworden.) Wenn ich ständig mal als Mann oder mal als Frau wahrgenommen werde, dann hab ich doch eigentlich genau das erreicht, was ich wollte?
Und warum gibt es dann doch immer noch bei jedem *sie* dieses seichte Unwohlsein und bei jedem *er* diese leichte Überraschung? Leider ist es auch nach über 10 Jahren trans* nicht so leicht, die eigenen Wünsche zu verkörpern.
Dauerhaft beim Passen gescheitert.
Seit einiger Zeit versuche ich also einen dritten(?) Ansatz und distanziere mich vom Passen selbst.
Denn das Passen ist eine giftige cistematische Einteilbarkeit, in der ich nur gewinne (und noch nicht mal das), wenn ich trans* unsichtbar mache und versuche, wie ein echter Mann oder eine echte Frau auszusehen. Passen ist eine Graduierung, an der ich nur verlieren kann. Die Vorlagen, wie ich auszusehen hätte, wenn ich passen wollen würde, sind in sich so eng geknüpft, dass sowieso und von Vornherein kein Platz für so viele Verschiedene ist. Und will ich wirklich mein Leben damit verbringen, zu versuchen, wie eine heteronormativzweigeschlechtliche Vorlage auszusehen? Vielleicht hab ich auch Wichtigeres zu tun…
Leider nicht so einfach und leider auch ganz schön anstrengend. Welche_r macht sich schon mal eben so frei von den Anrufungen anderer? Ich jedenfalls nicht und wahrscheinlich auch nie so ganz.
Aber ich glaube, dass die Richtung ganz okay ist.